PACOON hat nun ein 42-seitiges Kompendium über die unterschiedlichen Registrierungsvorschriften für Verpackungen in insgesamt 31 Ländern herausgebracht. Wie kommt man denn auf die Idee, sich mit solchen Regularien von Rumänien bis Irland und von Dänemark bis Griechenland zu beschäftigen?
Wir haben ja schon 2018 die internationale Situation der Verpackungsentsorgung beobachtet und einige Market Player inspiriert, die Recyclingfähigkeit von Verpackungen nach Ländern und deren Entsorgungs-Infrastruktur zu betrachten. Auch haben wir schon Unternehmen unterstützt, mit dem Inkrafttreten des Verpackungsgesetzes in Deutschland ihre Produkte richtig zu registrieren und zu lizensieren. Viele Länder sind jetzt gefolgt und somit steigt der Druck auf die Unternehmen, ihre Produkte regelgerecht zu registrieren, lizensieren und zu kennzeichnen. Daraus hat sich für uns die Chance ergeben, unser Wissen zu bündeln und diesen Service den Unternehmen anzubieten.
Wie hat sich die Recherche der Vorschriften gestaltet – und was hat Dich bei den Regularien verschiedener Länder am meisten erstaunt?
Die Recherche selbst war einerseits relativ zeitaufwändig, andererseits gab es die meisten Informationen auch schon an vielen Stellen. Für uns war es wichtig, dass die Informationen stimmen und aktuell sind und auch kurz und knapp darstellbar sind. Niemand findet es angenehm, seitenweise Gesetzestexte in zig unterschiedlichen Sprachen zu lesen. Daher war uns die optische Aufbereitung sehr wichtig, um es leicht erfassbar zu gestalten. Zum Glück haben wir auch viele Netzwerkpartner, die uns bei der Überprüfung der Informationen aus ihrer täglichen Arbeit unterstützt haben. Was uns immer noch nicht wirklich einleuchtet, ist die Tatsache, dass es Europa – sowohl in der EU als auch in den Nicht-EU-Ländern so schwer ist, eine einheitliche Lösung zu schaffen.
Jeder bastelt sein eigenes Ding, statt auf etablierte, einheitliche Lösungen zurückzugreifen und diese weiterzuentwickeln. Wenn dann noch Labels, die ein Land explizit vorschreibt, in einem anderen Land verboten werden, dann schüttelt man schon mal den Kopf. Und wenn dann noch eigene Labels von Handelsketten dazukommen, dann wird es erst recht lustig. Dass die USA im Grunde die gleiche Vielzahl an Regelungen und Gesetzen aufweist wie die EU, macht es dann besonders kompliziert. Wir haben uns daher erstmal auf die nationalen Vorgaben konzentriert, sonst würde es noch länger dauern.
Wozu braucht der Markt denn eigentlich ein solches Kompendium?
Die EU-Länder sind verpflichtet, die Verordnungen der EU umzusetzen und somit kommen jährlich neue Vorschriften auf die Inverkehrbringer zu. Wer sich nicht korrekt registriert und lizensiert, riskiert empfindliche Strafen. Daher ist es hilfreich, wenn man schnell mal nachschauen kann, welche Pflichten in den Absatzmärkten bestehen. Und mit unserem Partner Certify bieten wir dann auch gleich die Möglichkeit, einen Partner für die Registrierung und Lizensierung in den jeweiligen Ländern zu beauftragen.
Welche Auswirkungen hat diese Fragmentierung der Vorschriften Deiner Meinung nach auf die Entwicklung von Verpackungen – und auf die Nachhaltigkeitsbestrebungen der Hersteller?
Die Vorschriften sind ja nur der Aspekt, wie die Unternehmen die Packungen registrieren und lizenzieren müssen. Viel wichtiger für die Entwicklung der Verpackungen sind die Lizenzkosten und die bestehenden Entsorgungs-Infrastrukturen in den Ländern. Wir sehen klare Tendenzen, wohin sich der Verpackungsmarkt bewegt. Die Unternehmen versuchen natürlich, diesen Trends zu folgen. Daraus ergeben sich dann die Lösungsansätze für die Verpackungen. Daher haben die Vorschriften nur dahingehend eine wirkliche Auswirkung, wenn das jeweilige Land für die Unternehmen sehr wichtig ist. Wenn etwa ein wichtiges Absatzland ein Verbot von bestimmten Verpackungen beschließt oder die Lizenzkosten dramatisch anhebt – wie etwa die EU-Tax von 800€ pro Tonne nicht recycelfähiger Kunststoffverpackungen – dann kann das natürlich ein Unternehmen veranlassen, seine Verpackungen zu überdenken.
Was müsste getan werden, um die Regularien zumindest innerhalb der EU zu harmonisieren – und braucht es dazu nicht auch eine Harmonisierung der Abfallwirtschaftssysteme?
Natürlich wäre es sehr hilfreich, wenn die Entsorgungssysteme vereinheitlicht würden. Das Recycling an sich unterscheidet sich ja nicht von Land zu Land. Aber der Weg dorthin ist noch sehr fragmentiert. Noch wichtiger ist aber ein einheitliches System für das wertstoffliche Recycling, also die tatsächliche Rückgewinnung der Ressourcen. Und ein Belohnungssystem, wenn ein Unternehmen ökofreundliche Verpackungen einsetzt. Zu der Bewertung gehört auch mehr als nur der CO2-Wert oder die Rezyklat-Einsatzquote. Wir müssen auch den Schaden in der Natur betrachten, der entsteht, wenn die Verpackungen falsch entsorgt werden, die Verpackungen müssen theoretisch getrackt werden, um die Verursacher zu bestrafen.
Kann es denn überhaupt jemals zu einer europäischen Lösung bei diesen Regularien kommen?
Sicher ist das möglich, aber wie bei allen EU-Fragen sprechen wir von 27 Ländern, die alle eine unterschiedliche Herkunft, einen abweichenden Status und Mentalitäten haben. Selbst bei uns vor der Agentur sehe ich in der Straße immer wieder Menschen, die ihre Verpackungen, Taschentücher oder Zettel einfach auf die Straße werfen. Von den illegalen Müllkippen in der Natur ganz zu schweigen. Wie bei allen politischen Entscheidungen bedarf es erstmal der Absicht der nationalen Regierungen, ein Stück der Autonomie an die EU abzugeben. Daher glaube ich, dass es theoretisch möglich ist, praktisch aber höchst zweifelhaft, dass wir das in den nächsten Jahren sehen werden. Darum sollten wir uns bestmöglich auf die Regularien einstellen, die aktuell vorherrschen, uns an den Best Cases orientieren, die auch Vorreiter sein werden für andere Länder, und parallel daran arbeiten, nachhaltigere Verpackungskonzepte zu entwickeln und umzusetzen. Wer nur den Weg des geringsten Widerstandes sucht, der wird automatisch im unternehmerischen Vakuum landen, bis ihm die Luft ausgeht.
Vielen Dank für das Gespräch!