Das klassische Beispiel ist aus dem Alltag bekannt: Der Drei-Komponenten-Becher eignet sich hervorragend, um ökologische Probleme rund um Verpackung greifbar zu machen. Aluminium, Karton, Kunststoff – alle drei kann man wunderbar recyceln, und doch landen sie am Ende fast immer fest verbunden im Restmüll oder werden nur zu einem kleinen Teil recycelt.
Ob Joghurtbecher, Wurstverpackung oder Getränkekarton: Umweltprobleme mit Verpackungen sind dort am leichtesten zu vermitteln, wo sie für Konsument:innen täglich sichtbar sind. Doch es gibt einen großen Bereich, der medial deutlich weniger wahrgenommen wird: die Nachhaltigkeit von Transportverpackungen. “Aus unserer Erfahrung schauen die meisten Produkthersteller auf ihre ‘sichtbaren’ Verpackungen, die im Regal landen. Schon Inverkehrbringer von e-Commerce-Verpackungen sollten jedoch auch genau hinschauen, wenn es um ihre Verpackungen geht. Diese werden fast identisch zu Transportverpackungen gehandhabt, letztere gehen jedoch noch einen ganzen Schritt weiter und beinhalten insbesondere alle Halbfertigprodukte und Rohstoffe und innerbetriebliche Transporte. Und hier sind die Anforderungen meist höher als bei Verkaufsverpackungen”, so Pacoon-Geschäftsführer Peter Désilets.
Transport trägt massiv zu Verpackungsabfällen bei
Wie groß das Thema ist, hat vor kurzem eine Studie der GVM Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung beleuchtet. Die Arbeit, die sich ausschließlich auf Transportverpackungen und deren Abfall im deutschen Groß- und Einzelhandel bezieht, kommt unter anderem zu folgenden Ergebnissen:
· Transportverpackungen tragen jährlich 5,5 Millionen Tonnen zu den insgesamt 19,2 Millionen Tonnen Verpackungsabfällen bei – also fast 30%.
· 68 Prozent der Transportverpackungen bestehen aus Papier, Pappe oder Karton (PPK, bezogen auf die Masse), sind also prinzipiell gut recyclebar.
· Auf Rang zwei folgt Holz mit 22%, danach Kunststoff mit neun Prozent.
· PPK-Transportverpackungen machen bezogen auf die Masse rund ein Fünftel des gesamten Verpackungsverbrauchs in Deutschland aus.
Tatsächlich aber geht es bei Transportverpackungen um viel mehr als um das, was im Handel sichtbar ist. Sie tauchen überall dort auf, wo Unternehmen Waren in Großgebinden verschicken: in der chemischen Industrie etwa oder bei den Rohstofflieferanten für die Nahrungsmittelindustrie. Auch die Lieferung von Halbfertigprodukten zu Lohnabfüllern benötigt Transportverpackungen. Hinzu kommen zahllose Transporte verpackter Güter innerhalb von Unternehmen beziehungsweise zwischen deren Standorten.
Wenn die Packaging and Packaging Waste Regulation in den kommenden Monaten und Jahren Gestalt annimmt, wird es also um wesentlich mehr gehen als um die Drei-Komponenten-Becher. Peter Désilets: “Wir sehen eine große Herausforderung bei den Anforderungen an Re-use - also wiederverwendbare Verpackungen. Und in dem Zusammenhang bei der Sicherstellung der Hygiene und Produktqualität. Daher arbeiten wir hier mit Organisationen zusammen, die sich seit Jahren auf die Zertifizierung und Einhaltung von Standards fokussieren, um die Produktqualität und somit die Markenwerte sicherstellen.”
Das Ziel der PPWR: Was will die neue EU-Verpackungsverordnung erreichen?
Wie schnell die Verpackungsverordnung PPWR umgesetzt wird, ist fast sicher absehbar. Im April 2024 hat das Europäische Parlament eine Einigung über den Entwurf der PPWR vom November 2022 erzielt. Sollten, wie erwartet wird, die einzelnen Mitgliedsstaaten im Rat der Verordnung noch im Herbst 2024 oder Anfang 2025 die endgültige Zustimmung erteilen, könnte sie schon Mitte 2026 in jedem EU-Land verbindlich in Kraft treten. Details zu den Pflichten und den Regeln für Verpackungen und Verpackungsabfälle, die dann auf die Industrie zukommen (etwa die Verpflichtung zur Benennung eines bevollmächtigten Vertreters oder die erweiterte Herstellerverantwortung), haben wir hier für Sie zusammengefasst. Im Wesentlichen verfolgt die EU mit der Verordnung aber drei Ziele:
1. Reduzierung von Verpackungsabfällen
Die zentrale Intention der PPWR zielt darauf ab, dass die enormen Mengen an Verpackungsabfall deutlich schrumpfen, die derzeit noch kontinuierlich steigen. Sei es durch Beschränkungen von Verpackungen auf ein geregeltes Minimum, sei es durch die Förderung von Re-use sowie die Forschung und Entwicklung bezüglich neuer Materialien. Durch dieses Hauptziel der PPWR entstehen auch neue Anforderungen an das Verpackungsdesign.
2. Förderung von Recycling und die Hoffnung auf neue Recycling-Technologien
Die neue EU-Verordnung über Verpackungen bringt Mindeststandards für die Recyclingfähigkeit. Gleichzeitig gibt es Mindestanforderungen an den Anteil an recyceltem Material in Verpackungen, das vermehrt Virgin-Kunststoffe ersetzen soll. Wie diese Rezyklatmenten erreicht werden sollen, steht noch ein wenig in den Sternen. Parallel dazu muss weiter in die entsprechende Infrastruktur zur Sammlung, Sortierung und neue Recycling-Technologien investiert werden. Recycling gehört zu den wichtigsten Ansätzen, mit denen die EU die negativen Auswirkungen von Verpackungen auf die Umwelt minimieren will.
Eine große Hoffnung liegt dabei auf chemischem Recycling, allerdings sieht die Realität aktuell nicht vielversprechend aus und hinter den Kulissen wird über Berechnungsmethoden gekämpft, die die zu erwartenden Mengen dann künstlich schöner darstellen - wie z.B. in dem Fuel Exempt-Ansatz. Hier sollen die Rezyklatmengen, auch die, die aus vielen Recyclingquellen abseits von Verpackungen stammen, einseitig den Verpackungsrezyklaten zugeordnet werden. Dadurch könnten viel höhere Rezyklatanteile ausgewiesen werden, als tatsächlich proportional verwendet wurden. Ob dieser favorisierte Ansatz der Ölindustrie durchgeht, bleibt abzuwarten.
3. Harmonisierung des Rechts
Ein wichtiger Effekt der PPWR besteht darin, dass sie die entsprechenden nationalen Gesetzgebungen ersetzt. Damit werden erstmals EU-weit gleiche Regeln gelten. Die einzelnen Länder können aber bereits heute über diese Mindestanforderungen an die Nachhaltigkeit von Verpackungen in der Europäischen Union hinausgehen.
Wie die PPWR mit dem Thema Transport umgeht
Die PPWR unterscheidet in ihren Zielen nicht prinzipiell zwischen Transport- und anderen Verpackungslösungen bzw. deren Umweltauswirkung. Dennoch lohnt es sich, einige spezifische Vorhaben für Transportverpackungen näher zu betrachten, die bis 2030 gelten sollen:
· Die PPWR definiert Verkaufsverpackungen („Erstverpackungen“), Umverpackungen („Zweitverpackungen“) und Transportverpackungen (Drittverpackungen“).
· Für Transportverpackungen lautet ein Ziel der Verordnung: Der Leerraum soll auf ein Notwendiges minimiert werden, darf künftig höchstens 50% betragen.
· Umsetzung von wiederverwendbaren Verpackungen mit dem Ziel von mindestens 40 bis 100 % für Rigid Verpackungen aller Materialien außer Kartonage. Dies erfordert den Aufbau oder die Nutzung von EU-weiten Pools.
· Der Rezyklatanteil wird bei Transportverpackungen eine hohe Rolle spielen.
· Die Recyclingfähigkeit muss für Single Use und Reuse-Verpackungen beim End of Life ‘at scale’ (also in der Realität) in den Ländern gegeben sein.
· Generell sind Gefahrgüter größtenteils ausgenommen, jedoch müssen auch diese Anforderungen an Leerraum erfüllen, genauso wie Kartonagen.
Weitere Herausforderungen stecken im Detail, je nachdem, ob Verpackungen Kontakt-sensitiv sind oder nicht, ob auf PET basierte oder andere Materialien in Gebrauch sind. Auch sind noch einige offene Fragen und Definition zu treffen. “Unsere Kunden-Projekte zeigen, dass quasi das komplette Sortiment betroffen ist und bei einigen Anforderungen bleibt auch nicht viel Zeit, sich mit den Themen zu befassen. Insbesondere bei Unternehmen, die nicht nur in der EU tätig sind, sondern auch in angrenzenden Ländern wie UK, Schweiz, Norwegen oder im Balkan, stellt sich die Frage, wie weit man Lösungen im Vorfeld schon harmonisiert, um Logistikströme zu vereinfachen”, sagt Peter Désilets.
Verpackung und Kreislaufwirtschaft: Rückenwind für die Faserbasierten
Einen deutlichen Lenkungseffekt hat die Europäische Kommission in Richtung der Verpackungen aus Papier, Pappe und Karton (PPK) eingebaut: PPK-Transportverpackungen sind in der PPWR ausdrücklich von allen Zielen der Wiederverwendung und der Wiederbefüllung ausgenommen, wenn sie in den Märkten zu Mindestquoten real recycelbar sind (“recyclable at scale”) und Leerraum-Vorgaben nicht überschreiten. Welche Auswirkungen die Verordnung auf den deutschen Markt für Wellpappe-Verpackungen haben könnte, hat die GVM in einer ausführlichen Studie untersucht. Die Einschätzungen, zu denen die Studienautor:innen kommen, sind durchaus gemischt. “Bei Wellpappe-Verpackungen könnte sich auch ein stärkerer Trend zu Mehrwegversandpackungen abzeichnen. Das hängt natürlich von den individuellen Gegebenheiten der Unternehmen ab, kann aber zu Kosteneinsparungen führen”, prophezeit Désilets.
Was die Packaging and Packaging Waste Regulation bereits heute für B2B bedeutet
Sind die Anforderungen der PPWR an B2C schon hoch, so werden sie von jenen an den B2B-Bereich noch übertroffen. Vor allem im Bereich der Mehrwegverpackungen wird die Sache komplex.
Transporte und interne Transporte sind in der Industrie Teil ausgeklügelter und weitgehend optimierter Supply Chains. Veränderungen an den Verpackungen haben also zwangsläufig zur Folge, dass diese Systeme zumindest teilweise aufgeschnürt werden müssen. Hinzu kommt, dass die meisten Unternehmen eine Vielzahl unterschiedlicher Behältnisse einsetzen – man denke nur an die zahlreichen Palettentypen und -formate –, was für die Einführung einheitlicher Mehrweg-Lösungen spricht. Mit entsprechenden Folgen für die etablierte Transport- und Intralogistik.
Besonders aufwändig dürften die Veränderungen ausfallen, wenn es um Lebensmittel und andere Transportgüter mit besonderen hygienischen Anforderungen geht. Hier müssen unter anderem auch Hygiene- oder Reinigungs-Zertifikate in der Planung berücksichtigt werden, wenn man Mehrwegbehälter einsetzen will.
Mit anderen Worten: Viele Unternehmen werden Jahre benötigen, um einen entsprechenden Loop aufzubauen, der nicht nur PPWR-konform, sondern auch wirtschaftlich darstellbar ist. Und die Zeit wird knapp. Sollten die Bestimmungen wie geplant 2030 in Kraft treten, bleiben nur noch gute fünf Jahre. “Die komplette Logistikkette ist dabei betroffen, sowohl Upstream als auch Downstream. Denn es sind ja auch die Verpackungen betroffen, die in die EU - also zu den in der EU ansässigen Unternehmen - importiert werden. Für eine ganzheitliche Lösung muss man sich also auch mit den eingehenden Strömen befassen. Digitalisierung ist hier auch wichtig, denn neben der PPWR und den Nachweisen für die Mehrwegumläufe sollen diese Zahlen auch in die CSRD einfließen und den CO2-Fußabdruck darstellen. Daher sind Standards wichtig”, rät Désilets betroffenen Unternehmen zu einer Gesamtsicht auf die Supply Chain.
Unklarheiten in der Verpackungsverordnung schaffen Probleme
Als unangenehm für Unternehmen könnte sich auch die Struktur der Verordnung selbst erweisen. Zwar umfasst die PPWR in der Englischen Originalversion über 300 Seiten mit Anhang und die Formulierungen zielen auf möglichst hohe Genauigkeit – doch sowohl einzelne Definitionen als auch gewisse Ziele bleiben unklar. Dazu kommen immer wieder gestaffelte Fristen und Quoten. Das kann zu Verwirrung und Unsicherheit führen, da Unternehmen möglicherweise Schwierigkeiten haben könnten, die Anforderungen der Verordnung genau zu erfüllen. Zudem dürfte die Vielzahl an Vorgaben zu einem erhöhten bürokratischen Aufwand führen.
Und nicht zuletzt könnten Unternehmen, die Transportverpackungen einsetzen, vor einem psychologischen Problem stehen. Während Verpacker von Konsumgütern mit umweltgerechten Verpackungen und deren Entsorgung den Erwartungen der Konsument:innen entgegenkommen – und damit auch auf ihr Markenimage einzahlen –, bleibt in B2B neben dem rechtlichen Druck ausschließlich die intrinsische Motivation. Und die gilt es möglichst schnell zu aktivieren. “Wir sehen durchaus auch Einsparmöglichkeiten, wenn man sich die Verpackungen näher anschaut und die Unternehmen ihre Materialien nicht nur als Abfall, sondern auch als Ressource verstehen. Aber momentan wollen unsere Kunden - und vermutlich auch der Markt - erst einmal Rechtssicherheit erhalten für die kommenden Jahre ab Inkrafttreten der PPWR”, so Désilets.
Tool-Tipp:
Um den Unternehmen einen besseren Überblick über die verschiedenen Anforderungen der Verpackungen zu verschaffen, haben die Experten von pacoon grafische Übersichten und individuelle Entscheidungsbäume erstellt für die Verpackungstypen und Branchen. Anhand derer können die Unternehmen sehr einfach nachvollziehen, ab wann welche Anforderungen für sie gelten. Diese Entscheidungsbäume können in Deutsch oder Englisch aktuell für Schnellentschlossene für 790 Euro zzgl. USt. gegen Rechnung bei pacoon bestellt werden - einfach per Email an ppwr@pacoon.de
Natürlich bieten die Profis von pacoon Sustainability Concepts auch Unterstützung bei der Analyse, den Lösungsideen bis hin zur Umsetzung an.