Die Rolle der „Guten“ ist weitgehend vergeben. Papier, Pappe und Karton haben als nachhaltiges Verpackungsmaterial viele Argumente auf ihrer Seite – und nicht zuletzt die Sympathie der Verbraucher:innen. Die Grenzen des Materials sind allerdings hinlänglich bekannt; vor allem im Lebensmittelbereich, wo es um Frische, Haltbarkeit und Lebensmittelechtheit geht, ist Papier allein meist nicht die Lösung. Es bedarf der Kombination mit anderen Stoffen, die Barrieren z.B. gegen Feuchtigkeit, Flüssigkeit und Fett bilden.
Gut für die Umwelt trotz Kunststoff?
Verbundverpackungen aus Papier mit Kunststoffschicht als Laminat oder Coating bzw. Additiven also. Sind sie in der Lage, Kunststoff-Verpackungen für Lebensmittel weitgehend zu substituieren? Wie sieht es mit der sauberen Trennung aus und wie verhalten sie sich im bestehenden Recycling-System?
Fünf Argumente, warum Papier-Verbundverpackungen vor allem im Lebensmittelbereich ein unverzichtbarer Baustein für mehr Umweltschutz und Kreislaufwirtschaft sein werden.
1. Papierverpackungen unterstützen den Altpapieranteil im Recycling
Was wird eigentlich gesammelt und recycelt? In Deutschland wie auch in den meisten anderen Ländern Europas ist das Bild ein ähnliches: Die Sammelquoten für Papier sind exzellent, jene für Plastik liegen deutlich dahinter. Das Statistische Bundesamt weist für 2021 eine Gesamt-Recyclingquote von 70,1% aus, ein internationaler Spitzenwert. Während aber Papier und Karton eine Quote von über 90% erreichten, lag sie für Kunststoffverpackungen bei 56%. In der Regel stehen auch deutlich mehr Altpapier-Container in den Haushalten als Gelbe Tonnen oder der Gelbe Sack.
Dieser Tatsache trägt auch die PPWR Rechnung, die Packaging and Packaging Waste Regulation der EU, die das nationale Verpackungsgesetz ergänzen wird. Sie legt einen deutlichen Schwerpunkt auf den Umgang mit Kunststoffverpackungen, während Papier und Karton von vielen Anforderungen explizit ausgeschlossen sind.
Wie nachhaltig ist die Sammel-Infrastruktur selbst?
Peter Désilets, Geschäftsführer der auf nachhaltige Verpackungskonzepte spezialisierten Agentur Pacoon Sustainability Concepts, sieht die Kunststoffverpackungs-Branche infolgedessen unter Druck: „In den vergangenen Jahrzehnten wurde in diesem Bereich viel zu wenig an realisierbaren Lösungen im Sinne der Circular Economy gearbeitet. Zugleich ist in Deutschland und in vielen Ländern Europas die Sammel-Infrastruktur für Papier deutlich besser als für Kunststoffe. Daher ist es nachvollziehbar, Faserverbunde immer auf das Papierrecycling zu optimieren, damit sie möglichst über die Papiertonne zu entsorgen sind.“
Verbundverpackungen, meint Désilets, bieten auch dort eine starke Alternative, wo sie schwierig oder kaum recycelbare Mischkunststoffe substituieren. Selbst eine Studie der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen kommt zu dem Schluss, dass „die Substitution durch Papierverbunde also in Konkurrenz zur Optimierung der Recyclingfähigkeit im Kunststoffverpackungsmarkt“ trete. „Explizit werden einige positive Beispiele von Papierverbundverpackungen aufgeführt. Und diese in der Studie genannten Packungsbeispiele sind von 2021 – inzwischen haben sich die Technologien deutlich weiterentwickelt und neue Lösungen sind auf dem Markt“, sagt Peter Désilets.
2. Verbunde passen ins Papier-Recycling
Plastik im Altpapier: Darf das sein? Rein technisch, sagt Peter Désilets, sei das kein Hinderungsgrund. „Ein Kunststoffanteil von 20 Prozent oder mehr ist bei Papierverpackung absolut kein No-Go für das Recycling. Ein höherer Anteil kann das Faserrecycling prinzipiell sogar verbessern, da die Folien in diesem Fall einfacher zu trennen sind.“ In den Köpfen schwebt aber immer noch der Irrglaube, Papierverpackungen mit mehr als 5 % Fremdmaterial sind nicht recycelbar. Das ist falsch, wie wir kontinuierlich kommunizieren, und das wird auch von Papierrecyclern und -verbänden bestätigt.
Das Argument, die Verpackungen auf Papierbasis seien in der Regel etwas schwerer als ihre Pendants aus Kunststoff, sei natürlich richtig, aber „sowohl die Recycling-Fähigkeit als auch die Recycling-Wahrscheinlichkeit sind um ein Vielfaches höher“. Papierfasern können rund 25-mal recycelt werden – würden die Verbunde mit dem Altpapier entsorgt, stünden also größere Mengen an recycelten Fasern zur Verfügung, um wiederum in Verbindung mit Barrieren eingesetzt zu werden.
Wird das Verpackungsmaterial benachteiligt?
Probleme ortet Désilets eher im Entsorgungssystem: „In Deutschland werden Papier-Kunststoffverbunde durch das Duale System noch kostentechnisch benachteiligt, weil sie bei einem Anteil von mehr als fünf Prozent wie Kunststoffe berechnet werden, während die Entsorgung über die Papiertonne doch viel bessere Möglichkeiten des Recyclings bieten kann. Das ist wirklich ein Webfehler im Kunststoff-getriebenen Entsorgungssystem in Deutschland." Die 5%-Grenze ist übrigens nicht europaweit gültig. In Österreich beispielsweise gelten Verbunde mit bis zu 20% Fremdstoffanteil als Papier bzw. als PPK-Fraktion, in anderen Ländern noch höhere Prozentzahlen. Das Duale System belohnt also nicht die bessere Recyclingfähigkeit, sondern schaut auf die Einnahmenseite, um das System zu finanzieren.
3. Neue Barrieren für Lebensmittelverpackungen
Der problematische Anteil bei den klassischen Lebensmittelverpackungen auf Verbundbasis ist die Barriere, die den Inhalt schützt. Sie besteht meist aus einer Kunststoff-Folie, etwa Polyethylen.
Zunehmend geraten allerdings umweltfreundliche Alternativen in den Fokus. Die Entwicklung von Biokunststoffen oder biologisch abbaubaren Beschichtungen hat längst Fahrt aufgenommen, Coatings oder Sprühbarrieren gewinnen an Bedeutung. „Neue Trends bei Papier-Kunststoffverbunden oder Faserverpackungen mit Barrieren sehen wir auch bei den Faserguss- oder Faserthermoform-Verpackungen“, erzählt Peter Désilets. „Hier kommen auch vermehrt neue Sprühtechnologien zum Einsatz, die hauchdünne Barrieren auftragen können. Lebensmittel benötigen spezifische Barrieren und müssen weitere Anforderungen in der Verarbeitung erfüllen. Auch hier gilt: One Sizes doesn’t fit all” sagt Peter Désilets.
4. Mehr Deinking, weniger Klebstoff: Rückenwind für den Recyclingkreislauf
Barrieren sind bei weitem nicht die einzigen Komponenten, die dem Recycling von Papier im Weg stehen. Ein großes Thema ist etwa das Bedrucken von Papier und Karton, denn auch dadurch werden Materialien aufgebracht, die für das Recyclingpapier problematisch sein können. Während intensive Forschung an alternativen Druckfarben stattfindet, geht es auch darum, das Thema vermehrt ins Bewusstsein zu rücken, wie Peter Désilets berichtet: „Das Deinking von Faltschachteln und Versandkartons wird immer wichtiger, weil diese auch häufiger in der Papierfraktion bei den Recyclern landen. Das bestätigt auch der Verband der Deinking-Industrie INGEDE, der mehr Verpackungshersteller als Verbandsmitglieder aufnehmen möchte, um sie für das Thema zu sensibilisieren.“
Apropos INGEDE: Der Verband hat kürzlich untersucht, wie sich Rabattaufkleber verschiedener Discounter als Beilage in Printprodukten im Recycling verhalten. Genauer: die Klebstoffe, einer der unangenehmsten Fremdstoffe beim Recycling der Papierprodukte. Die Ergebnisse seien „ernüchternd“, obwohl das Bewertungsschema des Europäischen Altpapierrats „keine unüberwindbaren Anforderungen stellt“. Ein Beispiel unter vielen, dass auch die Reduktion von Papier mit Klebstoffanwendungen – etwa bei Papiertüten, Adressetiketten, Haftnotizen oder dem Selbstklebeverschluss bei Kuverts – Papier-Verbundverpackungen deutlich recyclingfähiger machen kann.
5. Konsument:innen wollen Verpackung getrennt entsorgen und recyceln
Der Einsatz von Verbundverpackungen auf Papierbasis ist nicht zuletzt aus psychologischen Gründen sinnvoll. Zahlreiche Untersuchungen verweisen darauf, dass die Bedeutung getrennter Entsorgung und professionellen Recyclings den meisten Menschen durchaus bewusst ist.
Die weitreichende Verunsicherung der Konsument:innen, welche Art von Verpackung nun eigentlich wie entsorgt werden soll, ist nicht nur den Konsument:innen selbst vorzuwerfen. Zu oft haben sich entsprechende Empfehlungen und Regelungen (aber auch der Stand der Forschung) verändert. Die unterschiedlichen Recyclingquoten von Papier und Plastik weisen aber auch darauf hin, dass Verpackungen aus Papier deutlich stärker mit Wiederverwertung assoziiert und als wertvoller Rohstoff angesehen werden.
Verbundverpackungen, die nachweislich in den Altpapier-Kreislauf eingespeist werden dürfen, treffen also auf die allgemeine Einstellung, dass Papier ein wertvolles Gut ist, das man perfekt recyceln kann. Und das definitiv für mehr Nachhaltigkeit sorgt.
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