Vor rund einem Jahr wurde in Obernkirchen der Schalter umgelegt, und die Auswirkungen sind enorm. Bis zu 45.000 Tonnen Kohlenstoff-Emissionen werden ab nun jährlich im deutschen Werk des Verpackungsherstellers Ardagh Group eingespart. Eine Reduktion um bis zu 64 Prozent.
Möglich wird das durch eine Umstellung der Produktion von Braunglas-Flaschen. Basierte die Prozesswärme bisher zu rund 90 Prozent auf Gas und zu zehn Prozent auf Strom, hat sich dieses Verhältnis nun nahezu umgekehrt. Die Ende 2023 in Betrieb genommene NextGen-Schmelzwanne nutzt eine hybride Technik: Bis zu 80 Prozent der Schmelzenergie sollen von Elektroden kommen (gespeist aus erneuerbaren Energiequellen), die restlichen 20 Prozent von Flammstrahlung. Parallel dazu hat Ardagh den Anteil des verwendeten Recycling-Glases deutlich auf bis zu 70 Prozent erhöht.
Produktion von grünem Stahl extrem beschleunigt
„Es gibt unterschiedliche Ansätze von Innovationen, die zu Transformation in der Branche führen können“, sagt Peter Désilets, Geschäftsführer von Pacoon. „Dazu gehört Prozess-Innovation ebenso wie Produkt- oder Service-Innovation. Diese können in unterschiedlichen Schritten ablaufen, von inkrementeller Innovation über disruptive, architektonische bis zu radikaler Innovation – je nachdem, wie weit die Technologie oder der Markt ausgereizt sind.“
So gelang es etwa chinesischen Forscher:innen, den Prozess der Eisenherstellung nicht nur massiv zu beschleunigen – um das 3.600-Fache –, sondern ihn gleichzeitig auch deutlich umweltfreundlicher zu machen. Beim „Flash Ironmaking“ wird fein gemahlenes Eisenerzpulver in einen extrem heißen Ofen eingespritzt, was zu einer explosiven chemischen Reaktion führt. Die dabei entstehenden glühenden Eisentropfen kann man direkt für die Stahlproduktion nutzen.
In Deutschland hat ein Team des Max-Planck-Instituts für nachhaltige Materialien eine Designstrategie entwickelt, die Gewinnung, Herstellung, Mischung und Verarbeitung von Metallen in einem einzigen Schritt möglich macht. Als Energieträger fungiert Wasserstoff, womit CO2-Emissionen vermieden werden. Unter dem Strich entsteht eine Energie-Einsparung von rund 40 Prozent.
Die Elektrifizierung industrieller Anlagen ist ein weiterer von zahlreichen Ansätzen, die Verpackungsindustrie umweltfreundlicher zu machen. Wie wirkungsvoll er sein kann, war Gegenstand einer umfangreichen Studie des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung ISI.
Die Forscher:innen betrachteten 13 Industriebranchen und stellten fest, dass die Umstellung von Erdgas-beheizten Anlagen auf Strom oder Wasserstoff vor allem in der Glasindustrie ein massiver Hebel sein kann: Bis zu 40 Prozent Energieeinsparung seien hier möglich. Betrachtet man den Status-quo, wird das Potenzial greifbar: Die deutsche Glasindustrie verbraucht pro Jahr rund 67.641 TJ Energie und emittiert um die 4,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent.
Die Studien-Autor:innen machen keinen Hehl daraus, dass derartige Umstellungen hoher Investitionen bedürfen. Unternehmen, die Ähnliches planen, brauchen zudem einen langen Atem – und nicht zuletzt: Mut.
PPWR: Die EU-Verpackungsverordnung macht Druck
Die Transformation der Industrie mag vielerorts echter Sorge um die Umwelt geschuldet sein – doch selbstverständlich geschieht sie auch vor dem Hintergrund der EU-Verpackungsverordnung der Europäischen Kommission, der Packaging and Packaging Waste Regulation PPWR. Die neue Verpackungsverordnung ist im Januar 2025 verbindlich in Kraft getreten, und sie wird der Industrie einiges abverlangen.
Die Verordnung verfolgt mehrere Ziele, die schrittweise bis 2030 bzw. 2040 erreicht werden müssen: Verpackungen und Verpackungsabfälle entlang der gesamten Wertschöpfungskette generell zu reduzieren, Einwegverpackungen möglichst durch wiederverwendbare Alternativen zu substituieren, nationales Recht in den Mitgliedsstaaten einheitlich zu gestalten – vor allem aber soll das Recycling massiv verstärkt und die entsprechenden Quoten in die Höhe getrieben werden. Ein Ziel, das durch braves Sammeln seitens der Konsument:innen allein nicht erreichbar ist – die Industrie ist gefordert, die Recyclingfähigkeit von Verpackungen zu verbessern und gleichzeitig den Anteil an recycelten Materialien in ihren Produkten zu erhöhen.
Wie das im Einzelnen geschehen soll, bleibt weitgehend der Industrie selbst und ihrer Innovationskraft überlassen. Peter Désilets betont, dass die Industrie dabei verschiedene Herausforderungen zu meistern habe: Einerseits gehe es um die Entwicklung von Lösungen, die schnell erreichbar sind und den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Dies passiere zumeist in Kooperation mit den heutigen Lieferanten. „Einige Schwierigkeiten sind allerdings noch nicht behoben, wie zum Beispiel der Rezyklateinsatz. Andere Lösungen können Kostenvorteile bieten, erfordern aber die Entwicklung in Kooperation von Industrie und Forschung oder mit Start-ups – dies betrifft insbesondere das Thema Mehrwegsysteme für Sales- und Transportverpackungen. Ein dritter Bereich betrifft Lösungen, die nicht gefordert werden, die aber CO2- und Kostenvorteile bieten könne, wie etwa der Ersatz von Transportkartons oder Folienbeuteln durch Mehrwegboxen.“
Viele Wege führen zur nachhaltigen Verpackung
Wie unterschiedlich die Wege zur Nachhaltigkeit sein können, zeigt das Beispiel des 2022 gegründeten sächsischen Start-ups ReViSalt. Die fünf Gründer rund um Geschäftsführer Michael Heidan haben ein Verfahren zur Glashärtung weiterentwickelt, das gemeinsam mit der DDR fast in Vergessenheit geraten ist. Und sie machten daraus die „schnelle chemische Verfestigung“.
Das Besondere daran: Das Verfahren dauert maximal 30 Minuten und ist damit genauso schnell wie das etablierte thermische Verfestigen, eignet sich aber im Unterschied dazu auch für dünnwandige Gläser. Diese können zwar auch bisher chemisch verfestigt werden – allerdings dauert dies nicht 30 Minuten, sondern 24 Stunden. Die SCV-Methode von Revisalt ermöglicht erstmals, fast jedes Glasprodukt dünner, leichter, bruch- und kratzfester zu machen. Unter geringerem Materialeinsatz und damit auch ressourcen- und umweltschonender. Hier muss die Glasindustrie aber ihre Prozesse neu konzipieren, um das Ziel zu erreichen.
Ein Schweizerisches Startup hat eine besonders umweltfreundliche Verpackung für Waschmittel entwickelt: EccoClean vertreibt Waschpulver für die Hand- und Maschinenwäsche. Jeweils sieben Gramm des Pulvers stecken in kleinen Papiersäckchen, die sich – nachweislich – binnen Sekunden im Wasser rückstandslos auflösen. Die Umverpackung für den Handel besteht aus Karton. Und zur Sicherheit produziert EccoClean das maximal umweltverträgliche Waschmittel ebenfalls selbst.
Ein Beispiel aus dem Lebensmittelbereich: Die Wiesbadener BMS Papier Concept hat eine nachhaltige Lebensmittelverpackung entwickelt. ImpaQ ist eine Einwegverpackung für Käse, Wurst oder Fisch – für Lebensmittel also, die unbedingt frisch gehalten werden müssen, weshalb die Verpackung eine Barriere beinhalten muss. Und die ist der Clou an ImpaQ: BMS hat es geschafft, eine rein faserbasierte Barriere zu entwickeln, die dennoch sämtliche Anforderungen an Lebensmittelsicherheit und Haltbarkeit erfüllt. Das bedeutet, dass die Verpackung nach Gebrauch mit dem normalen Altpapierstrom entsorgt werden kann, ohne diesen zu verunreinigen. Das System setzt also auf ein international weit verbreitetes und etabliertes System für Papier-Recycling.
Das Münchener Start-up The Ocean Package stellt wiederverwendbare Transportboxen für den elektronischen Handel her. Diese werden an Unternehmen vermietet oder verkauft. Auch andere Anbieter von Mehrwegboxen wie Hey Circle bieten solche Boxen an. Diese finden dann ihren Weg ganz einfach durch Einwurf in den nächsten Briefkasten zurück oder über Annahmestellen der Paketdienstleister. Alleine bei der Österreichischen Post sind bereits 40.000 davon im Kreislauf unterwegs. Ein deutlicher Beitrag zur Vermeidung von Verpackungsabfällen.
Konzerne stärken die Kreislaufwirtschaft
Am anderen Ende der Größen-Skala steht etwa der österreichische Verpackungskonzern Greiner Packaging. Greiner stellt unter anderem die klassischen Joghurtbecher her, bei denen für die Konsument:innen immer wieder das gleiche Problem auftaucht: Was tun mit angebrochenen Joghurts? Zwar gibt es schon lange entsprechende Deckel, doch die landen am Ende doch auch im Müll.
Daher entwickelte Greiner Packaging im Sinne der Transformation zu einer Circular Economy schon vor einigen Jahren einen wiederverwendbaren Stülpdeckel. Der wird im Spritzgussverfahren hergestellt, ist für die Spülmaschine geeignet und passt auf alle gängigen Becher. Die Lebensmittelkonzerne können die Deckel auch branden und damit die Konsument:innen auf die Möglichkeit der Wiederverwendung hinweisen. Eine simple Maßnahme, die nicht nur den Deckel im Kreislauf hält, sondern auch nachhaltig Lebensmittelverschwendung reduziert.
Auch das bisherige Geschäftsmodell bricht Greiner zum Teil auf: Mit der „Mix & Match Mealbox“ hat der Konzern eine wiederverwendbare Box vor allem für Catering- und Hospitality-Betriebe entwickelt. Die Take-away-Boxen aus Polypropylen, die dank eingebauten RFID-Chips auch Tracking erlauben, sind ein bedeutender, ein grundlegender Schritt: Ein klassischer Produzent von Einweg-Verpackungen hat sich entschlossen, das Thema Mehrweg aufzugreifen und somit einen Trend vorzeitig mitzugehen.
„In der Regel sind es die kleineren Unternehmen und Start-ups, die solche neuen Ansätze ausprobieren“, beobachtet Pacoon-Geschäftsführer Peter Désilets. „Mit Greiner hat ein etabliertes Unternehmen seine Marktstellung genutzt, neue Wege zu gehen. Vermutlich sind es eher die familiengeführten Unternehmen, die solche Ansätze wählen, weil sie langfristiger denken und weniger an kurzfristige Gewinne und Erfolge.“
Consumer Brands treiben die Transformation
Als Treiber der Transformation treten aber auch Branchen auf, die Verpackungen nicht herstellen, sondern befüllen. Nahrungsmittel-Riese Nestlé zum Beispiel hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, bei Kunststoffverpackungen um rund ein Drittel weniger Virgin Material zu verwenden. Hinzu kommen mehrere Ansätze, das Gewicht der Produkt- und Transportverpackungen zu senken, die Anzahl der Verpackungseinheiten zu reduzieren sowie Nachfüll- und Wiederverwendungs-Lösungen zu pushen.
In die gleiche Richtung agiert Konsumgüter-Gigant Henkel. So unterzogen die Düsseldorfer etwa die Kartuschen der Konsumenten-Klebstoffe einem Relaunch: Sie bestehen nun aus bis zu 95 Prozent recyceltem Kunststoff. In den USA kommt die Duschgel-Marke Dial in neuem Design in die Läden. Die nachhaltigen Verpackungen bestehen ausschließlich aus Rezyklat, und ein eigenes „How2Recycle“-Label weist die Konsument:innen auf die richtige Art der Entsorgung hin.
Kunststoff im Kreislauf: Neue Geschäftsmodelle etablieren sich
In manchen Fällen dient auch die Umstellung des Geschäftsmodells der Transformation, und das ist aktuell vielleicht die spannendste Entwicklung. Das deutsche Unternehmen Comepack zum Beispiel hat früher Mehrwegbehälter verkauft – heute nutzt es verschiedene Vermietungsmodelle. Für die Kunden ergeben sich daraus erhöhte Flexibilität und Kostentransparenz – die Auswirkungen im Sinne der Kreislaufwirtschaft sind selbsterklärend.
Wer diesen Weg geht, nimmt geringere Umsätze aus dem Verkauf der Packungen hin, muss sie also substituieren. „Package as a Service“-Modelle bieten sich dafür an und werden in den kommenden Jahren wohl deutlich zunehmen. Die Kombination aus langlebigen, reparier- oder recycelbaren Behältern mit ähnlichen Geschäftsmodellen ist definitiv einer der spannendsten Wege zur Transformation.
„Diese Beispiele zeigen die unterschiedlichen Ansätze, sich auf die Trends einzulassen und die Zukunftsfähigkeit sicherzustellen. Natürlich muss nicht jeder Lösungsansatz gleich disruptiv oder radikal erfolgen, sondern kann auch Schritt für Schritt oder parallel mit anderen Lösungen angestrebt werden“, sagt Peter Désilets.
Wichtig sei in jedem Fall, sich frühzeitig mit Innovationen zu befassen, um nicht später unter Zugzwang zu gelangen und dann teurere, schnelle Ansätze umzusetzen oder die naheliegendste Lösung zu nehmen. „Denn die schnellsten Lösungen werden auch immer viele Nachahmer finden, die dann zu Preiswettbewerb führen. Die aufwändigere Lösung verspricht häufig den Vorsprung, um sich eine Differenzierung zum Wettbewerb zu verschaffen.“
In den Workshops „Fit for Future“ erarbeitet Pacoon zusammen mit den Inhouse-Teams auf Basis bestehender Geschäftsmodelle und Packungstrends die unterschiedlichen Möglichkeiten, wie sich Unternehmen zukunftsfähig entwickeln können.
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