Der Weg ist im Grunde vorgezeichnet. Angesichts des Beitrags von Verpackungsmaterial zum immer dramatischer werdenden Zustand unserer Umwelt sind Alternativen dringend gesucht. Alternativen, die sich für eine real existierende Kreislaufwirtschaft eignen – und die gleichzeitig alle grundlegenden Anforderungen an Verpackung erfüllen. Wie auch immer man die Wechselwirkungen zwischen „der Gesellschaft“ und „der Politik“ bewertet: Ganz offensichtlich ist diese Suche deutlich intensiver geworden.
“Ich war selbst erstaunt, wie schnell Barrierelösungen für Faserverpackungen nach dem Verpackungsgesetz 2019 auf den Markt kamen. Bei Nachfragen hieß es dann häufig seitens der Papierindustrie: viele Lösungen wurden schon vor Jahren entwickelt”, so Pacoon-Geschäftsführer Peter Désilets.
Und sie zeigt Erfolge. Die naheliegende Lösung – recycelbare Verpackung aus nachwachsenden Rohstoffen – schafft es zunehmend in die praktische Anwendung, wie Peter Désilets registriert hat: “Jetzt ist der Bedarf nach nachhaltigen Lösungen deutlich gestiegen und auch die Lizensierungskosten machen Faserlösungen interessanter. Es mussten also die schon vorher entwickelten Lösungen häufig ‘nur’ noch finalisiert werden. Aber natürlich gibt es auch viele neue Barrierelösungen auf dem Markt als früher”.
Große Fortschritte bei Lebensmittel-Verpackungen
Das gilt auch für einen der heikelsten Bereiche in der Verpackungsbranche: die Lebensmittel-Verpackung. Konsument:innen und Gesetzgeber sind gleichermaßen vorsichtig gegenüber Neuem, wenn es um Lebensmittelverträglichkeit und Sicherung der Mindesthaltbarkeitsdaten geht. Unternehmen wie etwa die Wiesbadener BMS haben hierfür bereits Lösungen entwickelt: Verpackungen für Käse, Wurst oder Fisch, die entweder ausschließlich aus Fasermaterial bestehen oder über eine extrem dünne Kunststoffbarriere verfügen. Der besondere Clou daran: Der Kunststoffanteil ist gering, sodass die Verpackung direkt mit dem Altpapier-Kreislauf entsorgt werden kann.
Psychologische Komponente beim Konsum
Damit wird auch ein gravierendes psychologisches Problem gelöst. Es zeigt sich nämlich, dass viele Konsument:innen die einzelnen Elemente nicht trennen und gesondert entsorgen. Kombinationen aus recycelbarem Boden und Plastik-Abdeckung zum Beispiel werden somit nur teilweise recycelt. “Der 3-Komponenten-Joghurtbecher hat das Problem deutlich vor Augen geführt. Jede Komponente für sich ist eigentlich sehr gut recycelbar. Als zusammenhängender Becher wird aber meist nur eine Komponente recycelt, der Rest verbrannt. Die meisten Konsument:innen wissen nicht, was zu tun ist oder sind wohl auch zu bequem. Darum gilt es, entweder automatisch trennende Komponenten zu entwickeln oder im Handling eine Trennung unumgänglich zu machen. Dazu gibt es verschiedene Überlegungen, wie das erreicht werden kann”, sagt Peter Désilets.
Neue Verpackungsmaterialien in Sicht
Forschung und Entwicklung sind in diesem Bereich noch lange nicht am Ende ihrer Dynamik. Vor allem an der Barriere wird intensiv gearbeitet. Das Ziel, Kunststoffanteile hier durch biologisch abbaubare Beschichtungen zu ersetzen, rückt immer näher. Wobei interessante Material-Kandidaten ins Blickfeld rücken: Gras, Bagasse, Hanf und Stroh, Reisstroh und Bambus, sogar Seegras und Algen könnten auch die letzten Kunststoff-Barrieren in Lebensmittelverpackungen substituieren. “Ziel aus unserer Sicht bei jeder Entwicklung ist immer, dass die Verpackungen im Recycling eine Rückgewinnung der Rohstoffe weitestgehend ermöglichen. Dazu ist nicht jedes Fasermaterial geeignet und auch nicht jede Barriere verhält sich im Recycling so, dass die Faserqualität gewährleistet wird. Und es ist immer wichtig, zu fragen, wo die Rohstoffe herkommen. Weite Transportwege machen manche Rohstoffe uninteressant”, so Désilets. Doch trotz all dieser Einschränkungen und Faktoren, ist Désilets überzeugt: “Der Vorteil von Fasermaterialien ist aber generell, dass ein Recycling in quasi allen Ländern existiert und selbst, wenn die Verpackungen in der Natur landen, sich Fasern abbauen. Wenn dann die Barriere noch biologisch abbaubar ist, kann man zumindest das Littering-Problem ein Stück weit vermeiden.”
Die Europäische Kommission zieht beim Recycling die Zügel an
Dass die gestiegene Awareness seitens der Konsument:innen und der Produzenten die Entwicklung befördert, ist offensichtlich. Wer seine Produkte ökologisch sinnvoll verpackt, kann daraus nicht zuletzt Mehrwert für sein Markenimage generieren.
Doch auch der regulatorische Druck ist gestiegen und wird das zunehmend tun. Mit der Packaging and Packaging Waste Regulation PPWR hat die Europäische Kommission die Zügel deutlich angezogen und will damit den Weg zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft ebnen.
Die Verpackungsverordnung, die demnächst sukzessive in den Mitgliedsstaaten der EU umgesetzt werden muss, verschärft zahlreiche Zielvorgaben und bringt damit eine Reihe an Verpflichtungen für Verpackungsindustrie, Hersteller, Händler und Importeure. So gelten unter anderem neue europäische Regeln für die Feststellung der Recyclingfähigkeit einer Verpackung. Und die werden sehr genau überwacht: Jede einzelne neue Verpackungsvariante durchläuft ein spezielles Testverfahren, muss also ihre Recyclingfähigkeit unter Beweis stellen. Ein großer Aufwand, keine Frage. Doch die Kriterien für die Tests sind intelligent gewählt: Es geht nicht um die simple Feststellung, ob eine faserbasierte Verpackung keine Fremdmaterialien enthält oder als sogenanntes ‘Monomaterial’ gewertet wird. Es dürfen auch Fremdanteile bis 20 bis 30 % beinhaltet sein, sofern sie die Recyclingfähigkeit insgesamt nicht beeinträchtigen. Mit anderen Worten: Es lohnt sich für die verpackende Industrie, die entsprechenden Entwicklungen sehr genau zu verfolgen beziehungsweise selbst daran mitzuarbeiten. “Wir sind aktuell in mehreren Themen unterwegs, was die PPWR betrifft: sowohl bei Verkaufsverpackungen (eher B2C) als auch Transportverpackungen (eher B2B) und e-Commerce. Jeder Bereich hat spezielle Anforderungen. Faserverpackungen haben dabei Vorteile, weil die Recyclinging-Infrastrukturen vielfach schon bestehen und Rezyklateinsatz seit Jahrzehnten gängige Praxis ist. Kunststoffverpackungen haben die größten Herausforderungen, weil hier die Infrastrukturen noch aufgebaut werden müssen und die Zielquoten für reale Recyclingfähigkeit (‘at scale’) und Rezyklateinsatz hoch sind. Da kommt uns die langjährige Erfahrung mit innovativen Faserverpackungen natürlich zugute”, erklärt Désilets.
Neue Perspektiven: Fasern für Rigid-Verpackungen
Während für die Verpackung von Lebensmitteln also bereits hervorragende Lösungen existieren und ständig neue hinzukommen, gerät ein weiteres Feld immer stärker in den Blickpunkt: die Rigid-Verpackungen.
Entgegen immer noch bestehenden Vorurteilen können faserbasierte Materialien auch äußerst robust sein. Dementsprechend ist auch die Entwicklung neuer Technologien im Faserguss hochgradig spannend: Dabei werden Altpapier und gebrauchte Pappen in Wasser aufgelöst und die verbleibende Suspension in Formstationen weiterverarbeitet. Nach dem Abtrocknen entsteht ein äußerst zähes und steifes Material, das eine starke Polster- und Schutz-Funktion erreicht – und seinerseits natürlich wieder zu hundert Prozent recyclebar ist.
In Kombination mit neuen Applikationen – etwa dem Sprühen des Materials – entwickeln sich die Faserguss-Anwendungen aktuell vom Bereich der Packstoffe immer stärker in Richtung ökologischer Alternative für Großverpackungen oder Transport- und Ladungsträger in der Logistik. “Wir entwickeln an einigen Barriere-Fasergusslösungen selbst mit oder verfolgen diese sehr eng. Die Entwicklungen sind dabei auf mehreren Ebenen zu sehen: der Faserguss- oder Faserform-Technologie einerseits und den Barriere-Applikationen andererseits. Auch wird stark daran gearbeitet, die Werkzeugherstellung zu vereinfachen. Selbst bei Anwendungen wie bei der neuen Flora-Verpackung sehen wir technische Fortschritte beim Labelling/Branding. Eine alte, ‘unspektakuläre’ Technologie wie Faserguss erlebt also gerade eine Renaissance. Und sogar Flüssigkeits-Verpackungen sind schon machbar”, so Désilets: “Wir finden das sehr spannend.”
Neue Technik, neue Prozesse: Europäische Fachmesse Fachpack kooperiert mit Pacoon
Die spannenden Entwicklungen bei Produktion und Dienstleistungen spiegeln sich selbstverständlich auch in der Fachmesse der Branche, der Fachpack (Nürnberg, 24.–26. September 2024). Der Einsatz faserbasierter Verpackungen ist nicht nur Querschnittsmaterie der Veranstaltung – in diesem Jahr gibt es an allen drei Messetagen einen eigenen Pavillon in Kooperation von Pacoon mit dem Veranstalter: „Fachpack Alternative Verpackungslösungen in Kooperation mit Solpack 5.0“. Pacoon hat einiges vor während der Messe, wie Désilets ankündigt: “Wir haben ein Programm zusammengestellt, bei dem wir uns auf die Schwerpunkte Mehrweg (Tag 1) und Faserverpackungen (Tag 2) fokussieren. An Tag 3 haben wir Material-übergreifende Recyclingthemen geplant. Der Pavillon ist von Ausstellerseite schon ausgebucht, das Interesse ist groß gewesen. In der Halle 3 führen wir dort an allen drei Tagen durch das Programm und wollen die Besucher informieren und inspirieren. In Kürze werden wir das Programm und die Referent:innen zusammen mit dem Fachpack-Team vorstellen".