Verpackungen aus Papier und Glas schonen Umwelt und Ressourcen, Plastikverpackungen wiederum bewirken das genaue Gegenteil und sollten daher vermieden werden. Das klingt schön und einfach, die Wirklichkeit aber sieht nicht immer so eindeutig aus. Faktoren wie Logistik, tatsächliche Haltbarkeit, Produktschutz, Barrieren-Beschaffenheit müssen mitgedacht werden, um den ökologischen Fußabdruck von Verpackungen auch realitätsnah einschätzen zu können. Nichts zu deuten dagegen gibt es bei der Zunahme von Verpackungsabfällen und zugleich die Bemühungen von Entwickler:innen, Produzent:innen und Verbraucher:innen, diese Situation zu ändern. Richtungsweisend dafür sind diese Trends in der Branche:
1. Die Nachhaltigkeitsbilanz von Glas durchschauen
Glas hat als Verpackungsmaterial einige große und bewährte Vorteile: Es kann gut recycelt und oft wiederverwendet werden, ist geschmacksneutral, undurchlässig für Gase und tritt nicht in Wechselwirkung mit anderen Stoffen. Was nach einer idealen Lösung für die Verpackung von Lebensmitteln klingt, ist es allerdings nicht immer – vor allem mit Blick auf die Nachhaltigkeitsbilanz. Hier schneiden Einweggläser und -flaschen besonders schlecht ab, denn ihre Herstellung und ihr Transport verbrauchen viel Energie und dabei entstehen üblicherweise auch hohe CO2-Emissionen. Mehrweg-Glasverpackungen sind eindeutig zu bevorzugen, besonders, wenn der Kreislauf regional funktioniert. ‘Wichtige Faktoren, die die Nachhaltigkeit von Glas stark beeinflussen, sind das Gewicht der Packung in Relation zum Inhalt, was den Transport aufwändiger macht und den CO2-Fußabdruck größer aufgrund des großen Energiebedarfs. Eine Wiederverwendung relativiert diese Faktoren natürlich deutlich, aber noch zu oft wird die Umlaufzahl durch die Optik des Glasrandes limitiert, weniger durch die tatsächliche Haltbarkeit”, so Pacoon-Geschäftsführer Peter Désilets. “Spannend fand ich übrigens die Aussage eines Verbandsvorsitzenden der Glasindustrie, der auf meine Frage ‘wie er die Zukunft von Mehrweg statt Einweggebinden sieht?’ antwortete, “wenn wir zukünftig klimaneutral produzieren, dann gibt es da keinen Unterschied mehr”. Vielleicht etwas pauschal geurteilt, aber die Richtung ist schon mal klar gezeichnet”, meint Désilets.
2. Zero Waste City: Lässt sich eine Stadt ohne Abfall realisieren?
Kiel bezeichnet sich nicht nur als „Sailing City“, sondern darf sich seit Februar 2023 auch erste „Zero Waste Certified City“ Deutschlands nennen. München will demnächst gleichziehen und hat sich dazu entschlossen, ebenso den Zertifizierungsprozess zur Zero Waste City zu durchlaufen. Aber was genau steht hinter diesem Konzept? Zentrales Ziel von Zero Waste ist es, dass so etwas wie Müll bestenfalls gar nicht entsteht. Vermeidung steht also ganz oben in der sogenannten Abfallhierarchie, was ein Umdenken bei bzw. Umgestalten von Materialien und Produkten erfordert. Was nicht vermieden werden kann, sollte wiederverwendbar oder zumindest wiederverwertbar sein. Ist das ausgeschlossen, wird der Abfall etwa zur Energiegewinnung durch Verbrennung verwertet, alles andere muss auf Deponien beseitigt werden. Dieser Anteil sollte so gering wie möglich sein. “Für uns ist es wichtig zu sehen, wie Städte und Kommunen sich in die Thematik aktiv einbringen und ihre Aufgabe nicht nur in der Abfallbeseitigung sehen, sondern auch in der Unterstützung von Mehrwegsystemen. Werden Kommunen zukünftig nicht nur Müll zuhause abholen, sondern auch Mehrwegbehälter zum Sortieren und Reinigen einsammeln, werden sie diese Waschstationen selbst betreiben und in der Stadt neu verteilen?”, umreißt Désilets die Anforderungen an Kommunen, wenn sie den Begriff der Zero Waste City tatsächlich mit Leben erfüllen möchten.
3. Besseres Plastik-Recycling mithilfe Künstlicher Intelligenz
Der Umgang mit Verpackungen aus Plastik ist so eine Sache: Die Menge der Verpackungsabfälle steigt, die Recyclingquote für Kunststoffe in Deutschland stagniert jedoch. Nur etwas mehr als die Hälfte des Mülls aus Kunststoffverpackungen wird theoretisch recycelt, in der Realität bleiben davon aber nur ca. 15 % wertstoffliches Recycling. Entscheidende Gründe dafür liegen in der Wertschöpfungskette. Aktuell fehlt es an genügend Wissen zu den unterschiedlichen Qualitäten von Rezyklaten, genauso wie an Wissen zu den Einsatzmöglichkeiten. Viele Verarbeiter lehnen es daher ab, Rezyklate zu verwenden. Abhilfe soll der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) schaffen. Der KI Anwendungshub Kunststoffverpackungen ist eine Fördermaßnahme des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und hat zum Ziel, den Kreislauf für Kunststoffverpackungen weitgehend zu schließen. 51 Partner:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft, darunter pacoon, arbeiten hier zusammen. Sie setzen dabei auf den Austausch von Daten über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Wie das Experiment ausgeht, ist freilich unklar, sagt Peter Désilets: “Wir von pacoon sind leitend für das Arbeitspaket Packungsentwicklung zuständig. In diesem Kontext tauschen wir uns regelmäßig mit den anderen Arbeitspaketen aus und sind ganz dicht an den Entwicklungen. Gleichzeitig versuchen wir über Studien herauszufinden, wie der Verbraucher solche neuen Packungen aus Rezyklaten akzeptiert, welche Parameter wahrgenommen, akzeptiert oder abgelehnt werden, sei es bei Lebensmitteln oder Kosmetika. Ein breites, spannendes Feld wird uns noch bis Mitte 2025 begleiten. Auf jeden Fall werden am Ende neue Erkenntnisse stehen, teilweises Scheitern nicht ausgeschlossen.”
4. Herausforderung Verbundverpackung
Die Krux mit Verbundverpackungen lässt sich an ihrer Definition ablesen. Verbundverpackungen bestehen nämlich aus mindestens zwei verschiedenen Materialien, die so miteinander verbunden sind, dass sie sich nicht leicht von Hand trennen lassen. Weil das so ist, wird ihr Recycling zur Herausforderung. Die Recycling-Convenience für Konsument:innen ist nicht vorhanden, kaum jemand wird zuhause in mühseliger Bastelarbeit die unterschiedlichen Materialien voneinander trennen und dann sauber entsorgen. Dieses gelingt nur dann, wenn die unterschiedlichen Rohstoffe getrennt werden können. Ausgelöst durch die Plastikdebatte setzen aktuell viele Unternehmen auf Verpackungen, die zum Teil aus Fasern bestehen, aber häufig auch einen Kunststoffanteil - etwa in Form einer Beschichtung - aufweisen. Verpackungen aus nur einem Material, das sich gut recyceln lässt, haben derzeit aus ökologischer Perspektive noch die Nase vorne. “Der Produktschutz steht dabei immer an oberster Stelle. Eine Papierlösung auf Biegen und Brechen ist jedenfalls nicht hilfreich. Aber es tun sich kontinuierlich neue Lösungen auf. Wir selbst sind mit Barriereanbietern in Kontakt, die auch biobasierte Barrieren mit hoher Recyclingfähigkeit im Papierrecycling aufweisen können und teils nanometer-dünne Schichten aufbringen können. Auch im Lebensmittelbereich nähern wir uns immer mehr hoch anspruchsvollen Barrieren. Ich schätze, in ein bis zwei Jahren können wir auch Barrieren ähnlich wie Alubedampfungen auf Papieren realisieren”, gibt Désilets einen Ausblick auf die nahe Zukunft.
5. Bagasse: Die Zukunft der faserbasierten Verpackung?
Bagasse ist eigentlich ein Rest- bzw. Nebenprodukt bei der Zuckererzeugung, dabei aber ziemlich gefragt und vielseitig. Die faserigen Rückstände des Zuckerrohrs können als Brennstoff eingesetzt und an Tiere verfüttert werden. Bagasse dient aber auch dazu, Verpackungen herzustellen. Diese kommen etwa beim Take-away zum Einsatz oder beim Verkauf von Obst und Gemüse im Supermarkt. Einwegbecher und -teller können ebenso aus Bagasse erzeugt werden. Um möglichst undurchlässig für Fett und Wasser zu sein, wird Bagasse beschichtet oder gebunden. Das schränkt die Kompostierbarkeit des Materials ein. Peter Désilets jedenfalls setzt große Hoffnungen in den Stoff: “Bagasse ist als alternative Faserrohstoff und als ursprünglicher Abfallstoff ein schönes Material, um Holzressourcen zu schonen, bei der Verarbeitung auf viel Chemie und Energie zu verzichten und somit Rohstoffe noch effektiver zu verwenden. Daher gibt es schon lange Entwicklungen mit Bagasse, die sehr vielversprechend sind und schon vielfältigen Einzug in die Verpackungen gefunden hat.”
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