Wer sich bei der Mülltrennung wirklich Mühe gibt, zerlegt Verpackungen vor dem Wegwerfen in ihre Bestandteile. Sofern es möglich ist. Denn die Papierbanderole um den Joghurtbecher kann man vielleicht noch ablösen, bei der aufgedruckten Erdbeere wird es schon schwieriger. Daher sollte zumindest sichergestellt werden, dass die Druckfarben den Recyclingprozess des Grundmaterials, auf dem sie gedruckt sind, nicht negativ beeinflussen oder behindern.
Deinking, so lautet der Fachbegriff für die Entfernung von Druckfarben. Will man Karton und Papier recyceln und ihre Fasern als Rohstoff wiederverwenden, ist ein mehrstufiger Aufbereitungsprozess nötig. Dazu gehört unter anderem die Nassaufbereitung, bei der die Papierfaser mechanisch in einer wässrigen Lösung aufgelöst werden. In diesen einzelnen Schritten werden unter anderem ungewollte Fremdkörper wie Metalle, Folien, Klebstoffe oder Druckfarben mittels Luft und Chemikalien abgetrennt.
Ist unbegrenztes Recycling realistisch?
Weitläufig heißt es, dass Papierfasern bis zu sieben Mal recycelt werden können. Ab Forscher:innen der Uni Graz und der Technischen Universität Darmstadt haben bei einem Laborversuch gar beinahe unbegrenztes Recycling in Aussicht gestellt. 25 Recyclingzyklen ohne signifikante Veränderungen bei Faserlänge und Festigkeitseigenschaften – das schont Ressourcen und Energie gleichermaßen. Damit derartige Umlaufzahlen und eine gute Qualität künftig auch außerhalb des Labors erreicht werden können, muss das Papier unter anderem gründlich von Druckfarben und Lacken befreit werden.
Nicht nur bei grafischen Papieren, sondern auch für Wellpappe oder auch Faltschachteln, Pharmaverpackungen, Zigarettenschachteln, denn die Wasserkreisläufe von Recyclinganlagen für Kartonagen sind ein geschlossener Kreislauf mit permanenter Aufbereitung des Wassers. Im Wasser enthaltene Fremdstoffe - z.B. durch Auflösen von Farben oder Klebstoffen - reichern sich also immer mehr an und können dann wieder in die Altpapierfasern gelangen und die Papierproduktion beeinträchtigen.
Offset- oder Flexo-Druckfarben, lösemittel- oder wasserbasiert, UV-Farbe oder -Lack: die Vielfalt an Farben und Lacken für das Bedrucken von Verpackungen ist groß. Welche Variante man wählt, hat entscheidende Auswirkungen auf die Recyclingfähigkeit des bedruckten Materials. “Farben und Klebstoffe, die wasserlöslich sind, können über das Wasser die Fasern verfärben, Klebstoffe in der Trocknung wieder klumpen und als Fremdstoffe in die Papierproduktion mit einfließen - im wahrsten Sinne. Solche kleinen Klumpen oder Partikel beeinträchtigen einerseits die Papierqualität durch Farbflecken oder können bei dünneren Papieren ein Reißen der Papierbahn verursachen. Das wiederum ist hoch kostenintensiv und riskant, zumal der Trend zu immer dünneren Hochleistungspapieren geht”, so Pacoon-Geschäftsführer Peter Désilets.
Denn jede von ihnen weist eine andere Deinkbarkeit auf. Um Papier oder Kartonagen optimal recyclen zu können, müssen die hydrophoben Farben und Lacke im Recyclingprozess in von der Faser getrennt werden, durch Chemie und Luft. Auf diese Weise lösen sie sich von der Oberfläche ab und werden an der Oberfläche der Becken dann abgeschöpft. Und darum geht es bei erfolgreichem Recycling zunächst – das Trennen und Sortieren aller Bestandteile, damit diese in weiterer Folge wiederverwendet werden können.
Die Krux mit den UV-Druckfarben
Ziel jeder Verpackung ist, dass keine Stoffe in die verpackten Lebensmittel oder Produkte übergehen, das wäre eine sogenannte Migration der Bestandteile der Druckfarben und -lacke. Eine besondere Herausforderung im Recyclingprozess sind UV-Druckfarben und -lacke. Viele davon weisen derzeit noch eine besonders schlechte Deinkbarkeit auf, dazu sind sie in der Regel Mineralöl-basiert. Doch wie kommt das?
Für eine schnelle Produktion ist eine langsam trocknende Farbe hinderlich. Schneller geht es, wenn eine (UV-)Farbe oder Lack aufgebracht wird, die per UV gehärtet werden. UV-härtende Farben tun dies unter UV-Strahlung, hochreaktive Bindemittel vernetzen alle Bestandteile fest miteinander. Sie bilden eine Kunststoffschicht, die fest mit der Zellulosefaser verklebt ist und sich entsprechend schwer entfernen lässt. Es kommt zu sogenannten Schmutzpunkten auf dem zu recycelnden Material.
Eine schnellere Produktion bietet Kostenvorteile, die allerdings ökologische Nachteile mit sich bringt und das Risiko, dass diese Mineralöl-basierten Stoffe in die Produkte migrieren. Migrationsarme Druckfarben trocknen daher etwas langsamer. “Eine Zeitlang war die Mineralölfarbe aus dem Offsetdruck quasi verschwunden. Kostendruck hat dann wieder dazu geführt, dass über die UV-Härtung die Mineralöl-Thematik wieder reaktiviert wurde. Damit wurde auch das Deinking schwieriger und die Recyclingqualität leidet”, bedauert Désilets die Entwicklung.
Mittlerweile gibt es etwa neue UV-Flexo-Lacke und UV-Offsetdruckfarben auf dem Markt, die beispielsweise die Recyclingfähigkeit von UV-beschichteten Akzidentien und Verpackungsmaterialien verbessern. Es handelt sich um deinkbare Lösungen.
Flexible Einsatzmöglichkeiten im Druck, schlechte Deinkbarkeit
Neben UV-Farben sind auch Flüssigtoner-Drucke, viele Digitaldrucke und Flexodruck-Farben schlecht oder gar nicht für den Deinking-Prozess von Fasern geeignet. Die verwendeten Farben müssen möglichst wasserabstoßend sein, was vor allem beim Offset-Druckverfahren der Fall ist. Für flexible Verpackungen aus Papier oder Kunststoff wird jedoch häufig der Flexodruck angewendet, der Trend zu individualisierten Verpackungen führt wiederum zu wachsender Beliebtheit von Digitaldrucken. Allerdings sind etwa Drucke mit dem Flüssigtoner Indigo nicht deinkbar, weil diese nicht auf der Faser aufliegen, sondern in die Faser eindringen. So dürfen zum Beispiel derartige Druckereiabfälle nicht im grafischen Altpapier entsorgt werden, weil sie unweigerlich eine Verfärbung der Faser hervorrufen.
Farben auf Folien beeinflussen die Rezyklat-Qualität stark
Wie entstehen eigentlich graue bzw. schwarze Rezyklate im Kunststoff-Recycling? Im Wesentlichen durch den Mix an Farben der verschiedenen Kunststoffe, die nicht deinkt werden. Verunreinigungen wie Farben, Additive, Klebstoffe etc. auf Folien werden im Recyclingprozess weitestgehend entfernt - sofern sie das zulassen. Letztendlich aber landen viele dieser Fremdstoffe im Extruder, wo die Kunststoffe aufgeschmolzen werden. Vergasen diese Fremdstoffe bei ca. 250 °C, bilden sich große Gasmengen, Gerüche entstehen und Asche verfärbt den Kunststoffe. Sie verunreinigen somit das Rezyklat durch Verfärbung und Geruch, der auch im Recyclingprozess gesundheitsschädlich ist und den Extruder unter extremen Druck setzt.
Häufig werden billige Zellulosenitrat-Farben (auch Nitrocellulose NC genannt) eingesetzt, die diese Temperaturen nicht aushalten. Versuche mit z.B. PU-Farben und -Klebstoffen haben gezeigt, dass diese eine deutlich bessere Qualität des Rezyklats hervorbringen. Abwaschbare Farben würden diesen Effekt auch begünstigen, werden aber im Frontaldruck aufgebracht, müssen daher gegen Abkratzen geschützt werden. PU-Farben sind teurer, würden aber im Zwischendruck auch nur bedingte Möglichkeiten der Veredelung bieten. Außerdem verblieben sie im Rezyklat, was dauerhaft die Dichte des Rezyklats erhöht und damit - zusammen mit anderen Fremdstoffen einer höheren Dichte - dazu führen können, dass im Schwimm-Sink-Verfahren die eigentlich recyclingfähigen Kunststoffe wie PE und PP absinken und verbrannt werden. “Am Beispiel der Farben und Additive ist schön zu erkennen, wie die letzten drei bis fünf Prozent der Verpackung das ganze Konstrukt hin zu Recyclingfähigkeit beeinträchtigen oder gar verhindern können. Wir versuchen schon seit Jahren, diese Thematik in den Unternehmen zu verankern. Dazu sind wir in stetigem Austausch mit den Deinking-Experten und auch in Projekten involviert, die ein nachhaltiges Drucken und Recycling vorantreiben sollen”, erklärt Peter Désilets.
Die Wurzeln des Deinking-Verfahrens reichen bis ins 18. Jahrhundert zurück, seither hat sich viel getan. Heute setzen sich Forscher:innen mehr denn je mit Nachhaltigkeit auseinander, technische Innovationen können unbegrenztes Recycling in greifbare Nähe rücken. Mit der Wahl der deinkbarsten Druckfarben können Produzent:innen derweil bereits jetzt einen Beitrag zu hochwertigerem Recycling leisten. Ich denke, es wird noch eine Weile dauern, bis die Branche sich über die Auswirkungen von Farben auf das Recycling bewusst ist und reagiert. Einerseits wird die Abwägung von Nachhaltigkeit versus Kosten die Entscheidung beeinflussen - wie es schon seit Jahren der Fall ist - andererseits könnte die Legislative Druck aufbauen, NC-Farben als nicht rezyklierbar einzustufen. Das würde eine neue Dynamik in den Markt bringen”, hofft Désilets.
Eines wollen wir an der Stelle noch erwähnen: alle unsere Hinweise auf die großen Hürden beim Kunststoff-Deinking beziehen sich auf das mechanische Recycling. Neue Recycling-Technologien wie lösemittelbasiertes und chemisches oder enzymatisches Recycling werden wohl neue Perspektiven, aber auch neue Herausforderungen mit sich bringen.