Müssen wir – im Namen der Nachhaltigkeit – jetzt alle Bierflaschen einschmelzen? Bloß um sie anschließend in gleicher Form neu zu produzieren, ergänzt um eine Gravur zum verwendeten Material und dem richtigen Behälter für Verpackungsabfälle? Vonseiten der Europäischen Kommission kommt dazu jetzt ein klares Nein, nachdem der Deutsche Brauer-Bund sowie Hersteller und Händler bereits in heller Aufregung waren. Die Versorgung mit dem allseits beliebten Hopfengetränk in der Mehrweg-Glasflasche ist fürs Erste gesichert.
Doch der Reihe nach: Am 30. November 2022 hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für eine neue Europäische Verpackungsverordnung vorgelegt. Darin heißt es, dass wiederverwendbare Getränke-Flaschen mit einer „dauerhaft angebrachten Kennzeichnung“ versehen werden müssen. Das kann auch über ablösbare Papier-Etiketten passieren, hat die Kommission im Juni 2023 klargestellt.
Eingravieren sei nur ein Vorschlag gewesen, hieß es dann. Ein Vorschlag, bei dem die vier Milliarden Mehrwegpfandflaschen, die laut dem Deutschen Brauer-Bund derzeit im Umlauf sind, hätten ersetzt werden müssen. Denn bislang waren Etiketten üblich.
Vorausschauend Ärger vermeiden
Was also heute noch als nachhaltig gilt, kann schon morgen zum potenziellen Problemfall werden. Und ist ein neues Gesetz oder eine neue EU-Verordnung erst in Kraft getreten, muss ich im schlechtesten Fall das Bier aus dem Verkehr ziehen. So mancher Produzent fühlt sich von neuen gesetzlichen Vorgaben überrumpelt. Wer seine Produktion und Verpackungen an ein neues Gesetz anpassen will (oder muss), braucht jedoch eine gewisse Vorlaufzeit. “In der Regel werden solche Gesetze ja mit einer ausreichenden Vorlaufzeit angekündigt. Momentan werden die Fristen aber sehr kurz gehalten, um schneller eine Wirkung zu erreichen. Das Learning der letzten Jahrzehnte ist, dass sich das Gros der Unternehmen so lange zurückhält, bis der Druck groß genug ist. Das ist vermutlich auch der Anlass, die Gesetzesvorgaben oder Entwürfe verbindlicher und kurzfristiger auszulegen. Auf der anderen Seite bereiten die Lobbyverbände aber auch schon die Klagen gegen die Gesetze vor”, sagt Pacoon-Geschäftsführer Peter Désilets.
Dieser Vorlauf sollte einem generell zur Verfügung stehen - sofern man als Unternehmen rechtzeitig über neue Gesetzesvorschläge Bescheid weiß und gleich entsprechende Maßnahmen ergreift. Vorausschauendes Handeln ist das wichtigste Gebot. Schnell ist etwa die EU nicht bei neuen Gesetzen und Verordnungen, denn jedes neue Gesetz muss erst einmal mehrere Stationen durchlaufen: den Vorschlag durch die Kommission, die erste Lesung im Europäischen Parlament, der Vorschlag den den Europäischen Rat, die zweite Lesung im Parlament, das Finden eines Kompromisses im Vermittlungsverfahren, danach erst das Inkrafttreten. Von der Idee bis zum Gesetz kann es im schnellsten Fall Monate, oft auch Jahre dauern.
Die Mühlen der Legislative
Nehmen wir zum Beispiel das neue Verpackungsgesetz der Europäischen Union: obwohl der Vorschlag dafür bereits im vergangenen Jahr 2022 vorgelegt wurde, ist erst 2024 mit dem Inkrafttreten zu rechnen. Optimistisch geschätzt.
Das ist kein Einzelfall, sondern eher der klassische Werdegang eines EU-Gesetzes. Bleibe ich als Hersteller also bei anstehenden Richtlinien auf dem aktuellsten Stand, kann ich Abläufe und Waren an die Vorgaben anpassen. Lange bevor das Gesetz in Kraft tritt und meine Getränkeflaschen im Verkauf rechtlich bedenklich werden würden, habe ich mich in weiser Voraussicht abgesichert. Aber wie gelingt die gesetzeskonforme Umstellung?
In der Interpretation geirrt
Darüber Bescheid zu wissen, dass es einen neuen Gesetzesvorschlag überhaupt gibt, ist der offensichtliche und durchaus komplexe erste Schritt. Denn dass legislative Verschärfungen und vor allem deren Interpretation für Verunsicherung sorgen, ist eher die Regel als die Ausnahme. Die Pflichten der Produzenten sowie der Vertreiber sind nicht immer eindeutig herauszulesen.
Damit Hersteller und Händler die Tücken eines Verpackungsgesetzes erkennen, sollten sie sich beim Monitoring der Gesetzeslage einen rechtlich kompetenten Partner an ihre Seite nehmen. Dieser weiß über Rechte und Pflichten Bescheid, kann alle Fragen von Flaschen bis Getränkedosen beantworten.
Verpackungen richtig umstellen
Nach dem Monitoring, durch das ich früh genug auf ein neues Verpackungsgesetz und dessen Folgen aufmerksam werde, folgt die tatsächliche Umstellungsphase. Aber was gilt es denn überhaupt zu beachten?
Zunächst müssen die aktuell verwendeten Verpackungslösungen analysiert werden. Wie werden die Verpackungen entsorgt, recycelt oder wiederverwendet? Inwiefern entsprechen die Verpackungsarten künftigen Richtlinien und inwiefern nicht? Im Monitoring habe ich bestenfalls schon festgestellt, welche Ziele die EU gerade verfolgt, wenn es um Verkaufsverpackungen, die Vermeidung von Verpackungsabfällen und den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft geht.
So kann ich bei der Umstellung nicht nur Gesetzesvorschläge berücksichtigen, die bereits auf dem Tisch liegen, sondern mich gleichzeitig fragen, wie ich mit meinen Verpackungen bestmöglich zum Erreichen der gesetzten Ziele beitragen kann. Wieder einen Schritt voraus.
Abgesang der Abfälle
Nach der Analyse des Status Quo folgt die Auswahl neuer, gesetzeskonformer und möglichst nachhaltiger Verpackungskonzepte und -materialien. Papier, Karton, Bio-Kunststoff, Mehrweg - das Etikett vielleicht gar ins Glas eingraviert statt aufgeklebt. Die Vermeidung von Abfällen bildet laut der Europäischen Kommission den Kern der neuen Verpackungsrichtlinie und steht auch in der Abfallhierarchie ganz oben. Und diese Hierarchie dient auch als gute Orientierung, wohin die Reise bei Verpackungen geht.
Mehrwegbehälter für das Essen zum Mitnehmen. Weniger Kunststoff, weniger Material generell. Sofern sich Verpackungsabfälle nicht vermeiden lassen, sollten Sie möglichst recyclingfähige Varianten wählen. Kurz gesagt: Der Verantwortung für den Schutz der Umwelt nachkommen und Produktverantwortung übernehmen.
Verpackungsveränderung, die wirkt
Sofern alle Maßnahmen der neuen Verpackungsverordnung umgesetzt werden, würden die durch Verpackungen verursachten Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 auf 43 Millionen Tonnen gegenüber 66 Millionen Tonnen jährlich sinken, so die Europäische Kommission. Mit Blick auf die Umwelt sind solche Gesetze und Richtlinien nicht nur lästige Pflichten.
Mit der Auswahl Ihrer Verpackungen leisten Sie als Hersteller einen wichtigen Beitrag dazu, dass die Ziele der EU erreicht werden. Um die richtigen Verpackungsarten für Ihre Produkte zu finden, berät Sie der Partner an Ihrer Seite nicht nur über die Nachhaltigkeit der Optionen.
Was sich finanziell lohnt
Aus geschäftlicher Sicht ist nämlich nicht allein die Umweltbilanz der Materialien und Abfälle von Bedeutung. Wie hoch sind die Kosten für die Verpackungslösungen? Wie hoch sind die Kosten für das Inverkehrbringen und die Entsorgung? Was bedeutet die Umstellung für unsere Lieferketten? Die Antworten auf diese Fragen zeigen Ihnen, inwieweit sich Änderungen in der Produktion auch finanziell lohnen können - und inwiefern eine Umstellung kurzfristig für Mehrkosten sorgt. “Häufig betrachten die Unternehmen nur den Umweltaspekt der Verpackung aus Sicht des ‘Abfalls’. Wir bemühen uns schon seti Jahren, das Augenmerk auf die ganzheitliche Betrachtung zu lenken. Dazu müssen aber mehrere Abteilungen mit ins Boot geholt werden. Davor wiederum schrecken viele Firmen zurück, weil es viel Aufwand und einen guten Überblick erfordert. Hier kommen wir häufig als Projektleiter ins Spiel, weil wir die Auswirkungen für alle Abteilungen im Blick haben”, erzählt Désilets.
Um gesetzliche Vorgaben zu erfüllen, lassen sich Änderungen oft nicht vermeiden. Das sorgt kurzfristig für Ausgaben, langfristig punktet man jedoch mit nachhaltigen Verpackungen nicht nur beim Gesetzgeber, sondern auch beim privaten Endverbraucher. Rund 70 Prozent der Kund:innen bezeichnen sich Studien zufolge als umweltbewusst, die Mehrheit ist sogar bereit, für nachhaltige Produkte mehr auszugeben. Kosten in der Umstellung können also im Zweifelsfall direkt kompensiert werden durch höhere Abverkäufe und ein steigendes Markenimage und dadurch einen höheren Margenwert. Eine wertigere Marke ist in der Lage, eine höhere Marge zu realisieren.
Schrittweise eine Schritt voraus
Ob für das Analysieren der aktuellen Verpackungen, die Auswahl von neuen, das Finden der richtigen Partner oder maschinelle Umstellungen: wie schon erwähnt, braucht alles seine Zeit. Dementsprechend ist eine knapp kalkulierte Umstellung, gerade im Wettbewerb mit anderen Unternehmen, nicht gerade von Vorteil. Sie bedeutet Stress für alle Beteiligten. Und ein weiterer wichtiger Tipp für die Umstellung von Produktionsabläufen gerät dabei allzu oft unter die Räder: schrittweise agieren.
Wer zunächst nur eine kleine Anzahl von Produkten umstellt und den Rest später folgen lässt, kann Probleme frühzeitig erkennen. Damit das gelingt, kommt es unter anderem auf eine umfassende Schulung der Mitarbeiter:innen an. Vermitteln Sie allen im Unternehmen, warum die Änderungen notwendig sind und worauf es bei nachhaltigen Verpackungen ankommt. “Wir bieten unseren Kunden dazu immer Inhouse-Schulungen an, getreu dem Motto ‘das Wissen ins Haus holen’. Das sorgt langfristig für Kosteneinsparungen, weil teure Beratungsleistungen oder Fehler vermieden werden”, so Désilets. Die Erfahrung hat ihn einiges gelehrt: “Wir befassen uns seit 2008 mit dem Thema. Wer das in Eigenregie mit ein oder zwei Mitarbeiter:innen im Hause bewältigen will, wird Jahre brauchen, um sich auf einen einigermaßen aktuellen Stand zu bringen. Er kann aber auch mit einer Inhouse-Schulung alle relevanten Abteilungen an einem Tag auf einen einheitlich hohen Wissensstand bringen. Und das zu einem Bruchteil der Kosten, die ein einziger Mitarbeiter erfordern würde.”
Kein Ärger mit dem Verpackungsgesetz
Vom Aktionsplan Kreislaufwirtschaft 2020, der sich unter anderem um die hochwertige Verwertung von Verpackungen kümmert, bis zur neuesten Verpackungsverordnung: Bleibt man nicht up-to-date, kann es für die Umsetzung angepasster Verpackungen schlimmstenfalls zu spät sein. Mit allen Konsequenzen, die das nach sich zieht - rechtlich wie finanziell, wenn Waren sowie Verpackungen nicht mehr rechtzeitig verändert werden können und das Inverkehrbringen scheitert.
Gemeinsam mit dem Partner CERTIFY und der Sachverständigen Norma Stangl von Forschgruen.de bietet Pacoon eine Übersicht über Richtlinien zur Verpackungslizenzierung und -kennzeichnung in Europa und den Vereinigten Staaten an.
Hopfengetränk im Hinterkopf
Zurück zu unserem Dilemma vom Anfang: den Etiketten der Mehrweg-Bierflaschen. Oder andere Getränke in Flaschen, ganz egal. Aktuell hat die EU klargestellt, dass Papier-Etiketten die mit der neuen Verpackungsverordnung verbundenen gesetzlichen Pflichten erst einmal erfüllen. Der Lebenszyklus jener Flaschen, die schon jetzt im Umlauf sind, ist damit gesichert – eine Glas-Mehrwegflasche kann laut Umweltbundesamt bis zu 50 Mal wiederbefüllt werden.
Wir haben gesehen: Vom Vorschlag eines neuen Gesetzes bis zu dessen Inkrafttreten kann es Jahre dauern - oder es passiert einfach nie.
Es ist also üblicherweise genug Zeit, um die Produktion von Verpackungen an künftig geltende Gesetze anzupassen. Wer weiß, was man bei einer Umstellung beachten muss, ist dabei klar im Vorteil. “Wir betrachten neue Konzepte langfristig. und haben da einige Erfahrung. Deshalb können wir uns heute schon darauf einstellen. Und wir stecken Zwischenziele ab, damit die Unternehmen Erfahrungen sammeln können, bevor sie das ganz große Rad drehen. Manche Dinge benötigen auch im Markt Vorlaufzeiten, bis sie sich etablieren. Andere sind sofort umsetzbar und werden dauerhaft Bestand haben”, meint Peter Désilets.