Die Entwicklung ist klar und sie ist bedenklich: zwischen 1995 und 2019 ist die Menge der Kunststoff-Verpackungsabfälle in Deutschland um 105 Prozent – von 1,65 Millionen auf 3,2 Millionen Tonnen gestiegen. Anders gerechnet: jede:r Deutsche verursacht rund 38 Kilogramm Kunststoff-Verpackungsmüll pro Jahr. Was dagegen viel langsamer steigt, ist die Recycling-Quote für Kunststoffe aus dem „Gelben Sack“, dem Dualen System – die lag 2019 erst bei rund 55%. Aber auch das ist nur eine Seite der Medaille.
Für die Recycling-Stagnation mag es viele Gründe geben, ein ganz wesentlicher und bisher in der öffentlichen Debatte kaum präsenter Grund aber ist technischer Natur. „Derzeit ist der Rezyklateinsatz noch stark bestimmt durch die allgemeine Erfahrung, die die Verarbeiter in der Vergangenheit mit Rezyklaten gemacht haben und die vom ,Händchen‘ der Anwender abhängig ist. Es fehlt jedoch eine allgemeine Erkenntnis zu den verschiedenen Rezyklatqualitäten und ihren Einsatzmöglichkeiten, eine messbare Qualität, die auch in gewissem Rahmen reproduzierbare Ergebnisse liefert“, analysiert Peter Désilets, Geschäftsführer der auf nachhaltige Verpackungen spezialisierten Agentur PACOON.
So sehr sich also Verbraucher:innen, motiviert durch Problembewusstsein und zusätzlich forciert durch legislative Maßnahmen, auch bemühen: ein Teil des Problems ist in der Wertschöpfungskette bis zur Wiederverwertung zu verorten. 86% der Verarbeiter haben laut einer Umfrage der EuPC (European Plastic Converters) aus 2017 den Einsatz von recycelten Kunststoffen in Deutschland aus qualitativen Gründen abgelehnt, auf Europäischer Basis waren es etwas weniger. Durch die mangelhafte Qualität werden diese nicht wieder in die Kreislaufwirtschaft eingebracht, also abermals verwendet. Dieser Qualitätsmangel führte wiederum auch zum Verbot des Einsatzes von Rezyklaten in neue Verpackungen z.B. für Lebensmittel, Kosmetika oder Tiernahrung. Gleichzeitig plant die EU ab 2030 einen Mindesteinsatz von Rezyklat in Verpackungen vorzuschreiben, der sehr ambitioniert ist, um Materialkreisläufe besser zu schließen. Dazu bedarf es aber auch der Verfügbarkeit von entsprechend viel qualitativ verwendbaren Rezyklatmaterialien, die es heute auf dem Markt nicht gibt.
Der Gesetzgeber macht Tempo
Die Münchner Verpackungsspezialist:innen von PACOON sind insbesondere in die Entwicklung von KI-gestützten Werkzeugen für das Verpackungsdesign involviert: „Wir sind sehr gespannt auf die Ergebnisse, welchen Einfluss sie auf die Verpackungskonzeption haben werden und inwiefern es möglich sein wird, Rezyklat in großem Umfang wieder für Verpackungen einzusetzen“. Dass eine solche Initiative notwendig ist, beweisen die angedachten gesetzlichen Vorgaben. „Die Legislative hat hier Forderungen für die nächsten Jahre aufgestellt. Ob diese erfüllt werden können, hängt im Wesentlichen von der Qualität des Rezyklats ab, das hat auch schon eine Untersuchung des EuPC (European Plastic Converters) aus 2017 ergeben, dass diese den größten Hebel für den vermehrten Rezyklateinsatz darstellt. Entweder wir schaffen es, mit KI den verlässlichen Einsatz von Rezyklat durch bessere Qualitäten deutlich zu erhöhen oder müssen klare Einschränkungen für die Verwendung eingestehen.“, so Désilets über die Relevanz des Projekts.
Künstliche Intelligenz für bessere Recyclingquoten
Der KI Anwendungshub Kunststoffverpackungen unter Beteiligung von PACOON will nun mit künstlicher Intelligenz den Einsatz von Kunststoffrezyklat verbessern helfen. Um den Kreislauf für Kunststoffverpackungen so weit wie möglich zu schließen, arbeiten 51 Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft in zwei Innovationslaboren zusammen: KIOpti-Pack für Design und Produktion sowie K3I-Cycling für das werkstoffliche Recycling. Ein wichtiges Ziel ist der laborübergreifende Austausch von Daten, um Erkenntnisse über die gesamte Wertschöpfungskette zu betrachten.
Die Idee, über künstliche Intelligenz die Rezyklat-Qualitäten zu erhöhen, wird also zentral sein für die Erfüllung der Einsatzquoten von Rezyklaten. „Ziel ist es, am Ende den Verarbeitern eine Hilfestellung zu geben, welche Möglichkeiten sie mit bestimmten Rezyklattypen in der Produktion haben, wie die Materialdicke oder -zusammensetzung gewählt werden sollte, ob es nachweislich Schwachstellen in der Struktur von Materialien gibt, oder in welchem Verhältnis Rezyklat und Virgin Material eingesetzt werden muss, um die gleichen Funktionalitäten zu erhalten“, sagt Peter Désilets.
Übersicht aller beteiligten Partner des KI-Anwendungshub Kunststoffverpackungen:
Innovationslabor KIOptiPack
Institut für Kunststoffverarbeitung an der RWTH Aachen, Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V., Artificial Intelligence Center Hamburg (ARIC) e.V., Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Hochschule Schmalkalden (HSM), Hochschule Albstadt Sigmaringen (HSAS), Technische Universität Dresden, Universität des Saarlandes, Aixtrusion GmbH, Amcor Flexibles Deutschland GmbH (assoziiert) Apheris AI GmbH, Arburg GmbH & Co. KG (assoziiert), ASAM Betriebs-GmbH (assoziiert), Brückner Maschinenbau GmbH & Co. KG (assoziiert), Carbon Minds GmbH, Cirplus GmbH (assoziiert), ColorLite GmbH (assoziiert), Deutsche Institut für Normung e. V., Dida Datenschmiede GmbH, Digimind GmbH, Duales System Deutschland GmbH & Co. KG (assoziiert), EDEKA Zentrale Stiftung & Co. KG (assoziiert), Ehrenmüller GmbH, Evonik Industries AG, Fernholz GmbH & Co. KG (assoziiert), Foboha Germany GmbH, GEA Group AG (assoziiert),GreenDelta GmbH, HiPP OHG, Hamburger Informatik Technologie-Center (HITeC) e.V., Institut cyclos-HTP GmbH, Infosim GmbH & Co. KG, KOCH Pac-Systeme GmbH (assoziiert), Körber Pharma GmbH (ehem. Mediseal), LyondellBasell GmbH, Menshen GmbH & Co. KG (assoziiert), Pacoon GmbH, Palaimon GmbH, Peerox GmbH, Pöppelmann GmbH & Co. KG (assoziiert), QuoData GmbH, REMONDIS Recylcing GmbH & Co KG, Reifenhäuser GmbH, RKW SE, Simcon kunststofftechnische Software GmbH, Sumitomi (SHI) Demag Plastics Machinery GmbH (assoziiert), Südpack Verpackungen GmbH & Co. KG, Unilever Deutschland (assoziiert), watttron GmbH, Windmöller & Hölscher KG (assoziiert)
Innovationslabor K3I-Cycling
Fraunhofer Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V., Lobbe RSW GmbH, Cirplus GmbH, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Technische Universität Darmstadt, Hochschule Harz, Hochschule für angewandte Wissenschaften, Universität des Saarlandes, Lehrstuhl für Rechtsinformatik, Knowtion GmbH, RKF Recycelte Kunststoffe & Fasern KG, WeSort.AI GmbH, Gesellschaft für Informatik e.V., Eigenbetrieb für kommunale Aufgaben und Dienstleistungen, Awesome Technologies Innovationslabor GmbH, Deutsches Verpackungsinstitut e. V., Entsorgungstechnik BAVARIA GmbH, Technische Universität München, Siemens Aktiengesellschaft, HK.SYSTEMS GmbH (assoziiert), GREIWING logistics for you GmbH (assoziiert), Sentinum GmbH (assoziiert)
Koordiniert wird das Projekt vom Institut für Kunststoffverarbeitung an der RWTH Aachen und vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS. Finanziert wird der KI Anwendungshub Kunststoffverpackungen mit Fördermitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
Weitere Informationen zur Fördermaßnahme finden Sie hier: https://www.fona.de/de/massnahmen/foerdermassnahmen/ki-hub-kunststoffverpackungen.php