Es ist eine schwierige Balance. Lebensmittelhersteller, Verpackungsproduzenten und auch wir Verpackungsdesigner müssen mit jedem Projekt abwägen zwischen dem Aufwand und Materialeinsatz für eine Verpackung und der Haltbarkeit des verpackten Lebensmittels. Wenn diese Abwägung nicht funktioniert, kann sich der Impact auf die Umwelt, auf die Recycling-Chance, auf die CO2-Emissionen ziemlich negativ darstellen: Ist die Verpackung nicht dazu geeignet, die Haltbarkeit des Lebensmittels zu verlängern, so schlagen die nicht unerheblichen CO2-Emissionen der Lebensmittelproduktion voll durch, wenn weggeworfen statt verzehrt wird. Ist die Verpackung dagegen überdimensioniert, verursacht der hohe Materialeinsatz oft auch hohe CO2-Emissionen bei der Herstellung. Der Weg aus dem Dilemma lässt sich am ehesten auflösen, indem Verpackung und Inhalt als System und nicht getrennt betrachtet werden. Die Formel: die CO2-Emission durch die Verpackung verursacht wird, beträgt im Durchschnitt nur etwa zwei bis vier Prozent des CO2-Aufkommens des Lebensmittels. „Eigentlich ist diese Erkenntnis auch schon weit verbreitet. Allerdings gibt es verständlicherweise immer im Rahmen von „Refuse und Reduce“ – also vermeiden und reduzieren – den Versuch, Verpackungen ganz wegzulassen oder weitestgehend zu reduzieren. Unsere Meinung ist ganz klar: Eine zukunftsfähige Verpackung stellt das Produkt in den Mittelpunkt und die Nachhaltigkeit in den Vordergrund. Oder, anders ausgedrückt: die Verpackung so nachhaltig wie möglich, aber die Sicherheit des Produktes muss dabei immer gewahrt bleiben. Momentan, so ist jedenfalls mein Eindruck, ist die Branche sehr in Bewegung, viele versuchen die Verpackung zu optimieren”, sagt PACOON-Geschäftsführer Peter Désilets.
Nicht mehr als nötig
Der Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung könnte auch der Schlüssel zu einer signifikanten Verbesserung unserer globalen Klimabilanz sein. Allein in der Europäischen Union werden pro Jahr 88 Millionen Tonnen Lebensmittel nicht verzehrt, sondern weggeworfen. Diese Menge an mit hohem Aufwand und hohen Treibhausgasemissionen produzierten und dann nicht gegessenen Lebensmitteln ist für zehn Prozent des gesamten globalen CO2-Ausstoßes verantwortlich. Die Verpackung kann gerade da Problem oder Lösung sein, wie es kürzlich Charles Héaulmé, Chef des finnischen Verpackungskonzerns Huhtamäki, recht pointiert formuliert hat: „Die beste Lösung zur Verringerung der Lebensmittelverschwendung ist die Sicherung der Haltbarkeit, also sicherzustellen, dass die Verbraucher die Menge erhalten, die sie brauchen, und nicht viel mehr als das, was sie brauchen, so dass keine Lebensmittelverschwendung entsteht – und das ist die Rolle der Verpackung.“
So zahlt sich Verpackung aus
Doch wie kann die tatsächliche Umweltwirkung einer Verpackung denn noch berechnet werden? Die Hochschule München hat dazu einen Online-Rechner entwickelt. Der Sustainable Packaging Online Calculator (SPOC) ermöglicht es, mit wenigen Klicks aus dem CO2-Fußabdruck des Inhalts und der Verpackung den so genannten Impact Quotient zu ermitteln. Dieser Impact Quotient sagt aus, wieviel Prozent des Inhalts denn nun wirklich geschützt werden müssen, damit sich die Verpackung klimaarithmetisch auch lohnt. Ob sie das tut, kommt auf den Inhalt an: Die Produktion von Fleisch etwa ist ökologisch enorm ressourcenintensiv, da lohnt sich eine Verpackung, die etwa die Haltbarkeit erhöht, aus Perspektive der CO2-Bilanz recht schnell. „Nicht nur aus Klimagesichtspunkten liegt der Industrie viel daran, die Lebensmittel und Produkte sicher an den Mann oder die Frau zu bringen. Aber ein großer Knackpunkt ist zumeist, dass die Unternehmen gar nicht genau wissen, welche Schutzanforderungen in Form von Barrieren für das jeweilige Produkt tatsächlich nötig sind”, meint Désilets. Diese Unsicherheit führt zu einem bestimmten Verhaltensmuster: „Im Zweifel wird dann der Schutz zu hoch angesetzt nach dem Motto ,sicher ist sicher’. Dadurch wird sinnvolle Reduktion oftmals verhindert. Als Expert:innen ist es eine unserer Aufgaben, den Finger in diese Wunde zu legen und die Kund:innen zu ermuntern, die tatsächlich notwendigen Werte zu erheben. Und darauf dann mögliche Packungsalternativen zu entwickeln.”
Mehr Mehrweg muss sein
Der oft bestehende Zielkonflikt zwischen Lebensmittelhaltbarkeit, Verpackungsaufwand und CO2-Ersparnis lässt sich besten auflösen, indem Mehrweg-Systeme für Verpackungen an Attraktivität gewinnen. Das ist nun auch auf der Agenda der Europäischen Kommission gelandet. Die Brüsseler Behörde hat nun einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der sowohl die Recyclingfähigkeit von Verpackungen wie auch den Einsatz von Mehrweg-Systemen stärker in der Industrie verankern soll. Das soll gelingen, indem bestimmte Einwegverpackungen wie etwa für Lebensmittel und Getränke in der Gastronomie oder für Obst und Gemüse verboten und damit Verpackungshersteller, die sich bisher auf diese Märkte konzentriert haben, zu Mehrweg-Innovationen motiviert werden. Das soll zweierlei Wirkung haben: die Menge der Verpackungsabfälle pro EU-Bürger bis 2040 um 15% zu senken und auch einen Effekt am Arbeitsmarkt zu generieren. Bis zu 600.000 Arbeitsplätze, so schätzt die EU-Kommission, könnten so in den innovationsintensiven Sektoren der Verpackungsindustrie geschaffen werden.
PACOON-Geschäftsführer Peter Désilets begrüßt das: „Solche Gesetze sind ein wichtiger Faktor, um der Branche die Richtung vorzugeben. In der Vergangenheit fehlten diese Rahmenbedingungen aus dem Markt heraus, wir nannten dies das ,Dreieck des Wartens’ – jeder wartete, bis der andere etwas forderte oder angeboten hat. Die Gesetzgebung ist einer der neuen Treiber im Markt und die neuen Vorgaben werden die Verpackungsabfälle zukünftig deutlich reduzieren”.
Mehrweg-Systeme könnten, so jedenfalls eine Schätzung der Ellen MacArthur Foundation, die Menge an Verpackungen um rund ein Fünftel reduzieren. Doch Désilets warnt auch vor überzogenen Erwartungen: „Das heißt noch nicht, dass wir damit auch die Lebensmittelverschwendung senken. Denn aus Studien wissen wir zwar, dass ein großer Teil der Verschwendung auf Verbraucherseite entsteht, aber das hat verschiedene Gründe. Eine längere Haltbarkeit durch stabile Mehrwegverpackungen kann vermeiden, dass viele Lebensmittel zum Mindesthaltbarkeitsdatums weggeworfen werden, weil dieses Datum dann auch nach hinten verschoben werden könnte. Am Ende sind aber noch viele andere Aspekte von den EU-Regelungen nicht betroffen wie etwa billige Großpackungen, unterbrochene Kühlketten oder schlechter Umgang in der Küche”.