Mehrweg statt Einweg
Glasverpackungen sind in der Produktion sehr energie- und ressourcenintensiv. Mit der Verwendung von recyceltem Altglas wird zwar die Menge an nötigem neuen Material reduziert. Um Glas einzuschmelzen und in Form zu bringen, sind jedoch jedes Mal enorme Temperaturen notwendig. Das schlägt sich in der CO2-Bilanz nieder. Dementsprechend ist es sinnvoller, Glasflaschen und Co. nicht immer wieder von Neuem herzustellen. Bis zu 50 Mal könnten Mehrweg-Gläser wiederbefüllt werden, sie erreichen eine Lebensdauer von bis zu sechs Jahren. Doch während Bier- und Mineralwasserflaschen aus Glas vergleichsweise häufig zurück in ihren Kasten und schließlich in den Pfandautomaten wandern, gilt das beispielsweise für Weinflaschen und Gurkengläser bislang nicht. Damit Glas seinem nachhaltigen Ruf gerecht wird, muss sich das Mehrweg-Angebot vergrößern.
Jedoch gilt es, auch Standards bei der Rücknahme, Sortierung, Reinigung und Transport zu etablieren und auszuweiten. Heute ist es für viele Abfüller uninteressant, auf Mehrweg umzustellen, weil sie eine eigene Reinigungsanlage etablieren und die Behälter kaufen müssen. Bei einem Schwund von zwei bis fünf Prozent pro Umlauf durch Bruch oder falsche Entsorgung beginnt dann der Kampf um die Gläser - die der große Player in der Regel gewinnt. Bei einem Product as a Service-Modell, wo Behälter nur noch für die Nutzung gemietet und gereinigt angeliefert werden, wird auch der Mehrweg-Einsatz für kleine Abfüller sofort interessant. Erste Ansätze für Weinflaschen gibt es bereits.
Einheitliche Standards
Auch bei Glasverpackungen, die bereits als Mehrweg-Variante angeboten werden, gibt es Tücken. So wollen sich Hersteller von der Konkurrenz abheben und produzieren zum Beispiel Bierflaschen in speziellen Formen - sogenannte “Individualflaschen”. Natürlich sollen diese dann in ganz Deutschland und häufig auch in Europa vertrieben werden. Dazu müssen die Flaschen aber aussortiert und eine lange Reise zum individuellen Abfüller zurücklegen, das ist eines der Hauptargumente der Einweglobby gegen Mehrweg - wobei auch Einwegverpackungen etliche Hundert Kilometer zurücklegen, bis sie als Rezyklat wieder zum Einsatz kommen, sofern das überhaupt passiert.
Gereinigt wird der Mehrwegbehälter dann in der eigenen Produktionsstätte, mit einer eigenen Waschanlage. Im extremen Fall macht die Flasche also eine Reise von Bayern nach Norddeutschland und wieder zurück. Aber selbst Standardflaschen reisen heute noch viel durch die Lande - denn nicht die Flasche allein entscheidet über den Transportweg, sondern der individuell gebrandete Kasten. Daher basiert das von pacoon entwickelte Mehrwegkonzept auf einheitlichen Standards für Flaschen und Kisten, die abwaschbar sind, um unnötige Transportkosten zu vermeiden. “Poolbehälter” sind identisch und können an allen entsprechenden Produktionsstandorten wiederverwendet werden. Individualbehälter können zwar weiter genutzt werden, ihr Handling ist aber dann teurer.
Altglas nutzen
Wir haben gesehen, dass nur ein überschaubarer Teil aller Glasverpackungen bereits als Mehrweg-Variante angeboten wird. Ein großer Teil der Weinflaschen und Gurkengläser landet im Altglascontainer. Dieser Glasmüll ist jedoch wichtig und wertvoll, denn auch wenn die Neuproduktion Energie kostet: Glas kann praktisch unendlich oft recycelt werden. Wird es entsprechend aufbereitet und sortiert, gelingt dies beim sogenannten “Bottle-to-Bottle-Recycling” sogar ohne Qualitätsverlust. Hinzu kommt, dass der Energieaufwand bei der Herstellung neuer Gläser sinkt, wenn nicht nur Rohstoffe wie Quarzsand, Kalk und Soda, sondern auch Altglas verschmolzen werden. Dafür sind nämlich geringere Temperaturen nötig, sodass der Energieaufwand sich bis zu 30 % niedriger im Recycling gegenüber Neuproduktion von Glas ausfällt.
Material sparen
Wer dünneres Glas herstellt, braucht nicht nur weniger Material. Es spart zudem Transportkosten, denn im Vergleich zu Papier oder Plastik ist Glas schwerer. Damit dünnes Glas trotzdem stabil ist, wird ständig an neuen Innovationen getüftelt. Displays von Smartphones sind bereits heute chemisch verfestigt und damit bruchsicherer als etwa ein Gurkenglas. Bisher wird dieses Verfahren jedoch vor allem bei teureren Produkten verwendet, da die Glas-Produktion seit Jahrzehnten auf die alte Technik ausgelegt ist. Mit neuen Methoden lässt sich die Materialmenge und Bruchgefahr deutlich verringern und somit auch für die Verpackungsindustrie attraktiv werden. Sogar im Einwegglas-Bereich, solange Mehrweg noch aufgebaut wird. Auch andere Bereiche sind denkbar mit dem neuen, leichten, bruchfesten Glas, das wunderbar recycelt werden kann. Glasrecycling ist übrigens international schon häufig Standard und Glas wird von Verbrauchern als nachhaltig eingestuft.
Widerstandsfähiges und leichtes Glas
Wir sehen: die technischen Lösungen, um Glas nachhaltiger zu produzieren und in Verkehr zu bringen, die gibt es schon. Doch entscheidender wird die Frage sein: wie rasch gelingt die Umstellung und wie sehr sind die jeweiligen Hersteller gewillt, entsprechende Investitionen zu tätigen. Schließlich sind die einzelnen Produktionslinien auf mehrere Jahrzehnte ausgelegt. Deshalb braucht es unter Umständen auch gemeinsame Anstrengungen der Branche, neue Technologien zu implementieren und Produktionsanlagen nur für bestimmte Verpackungsarten umzurüsten. Das bringt die schon erwähnten Vorteile: kostengünstigere Produktion durch weniger Materialbedarf (bis zu 50 % weniger) dadurch weniger CO2-Aufkommen für die Produktion des gleichen Behälters und das multipliziert mit einer Umlaufzahl von 15 bis 20 Umläufen mindestens - da rückt die Klimaneutralität für die Glasindustrie in greifbare Nähe.