Es sind stets die Details, an denen sich entscheidet, ob eine Verpackung für die Mehrweg-Verwendung geeignet ist oder eben nicht. Was, meinen Sie, ist der komplizierteste Teil einer handelsüblichen Shampoo-Flasche? Es ist der einzige mechanische Teil einer solchen Verpackung, der Pumpenkopf nämlich. Er ist erstens vergleichsweise schwierig zu demontieren und besteht zweitens aus einem zwar einfachen, aber doch für die Mehrweg-Nutzung oft hinderlichen Mechanismus, der oft genug auch noch Metall beinhaltet. Wie also können aus Shampoo-Flaschen Mehrweg-Verpackungen werden? Ganz einfach – oder eben nicht so einfach: anstatt der Pumpenköpfe werden bei nachfüllbaren Kosmetik-Verpackungen standardisierte Alternativen verwendet. Obwohl sich auch europäische Kosmetikhersteller schon längst zu einer entsprechenden Reduktion des Verpackungsvolumens verpflichtet haben, ist man besonders in Japan schon viel weiter mit dem Mehrweg-Gedanken: dort wurden 80 Prozent der Shampoo-Verpackungen so umgestellt, dass sie direkt am POS nachgefüllt werden können.
Wirtschaftsfaktor Nachfüllpackung
Das Beispiel zeigt: Wer Mehrweg will, muss erstens schon bei der Verpackungstechnik an den Mehrweg-Zweck denken und zweitens eine akzeptierte Infrastruktur schaffen, wie es japanische Kosmetik-Konzerne konsequent getan und ihre Konsument:innen an die Nachfüll-Idee herangeführt haben. In Japan ist – das nur nebenbei – auch ein bemerkenswerter Markt in dieser Kreislaufwirtschaft daraus entstanden: nach Informationen des japanischen Wirtschaftsministeriums hat der Nachfüllmarkt in Japan jährlich ein Volumen von rund 2,5 Milliarden Euro. “Auch in Europa werden schon viele Nachfüllstationen ausprobiert, auch im Kosmetikbereich. Ich denke, die Akzeptanz liegt natürlich auch an der Auswahl der Produkte. Je geringer die Vielfalt, desto höher der Griff zur Einwegverpackung, um ‘sein’ Produkt zu bekommen”, so Pacoon-Geschäftsführer Peter Désilets.
Die Rolle der Gastronomie bei Mehrweg-Systemen
In Europa könnte indes in einem anderen Markt begonnen werden, die Mehrweg-Idee populärer zu machen: beim Essen zum Beispiel. Denn da hat er Konsument, hat die Konsumentin naturgemäß viele Berührungspunkte und auch Schmerzpunkte im Umgang mit den Verpackungen. Immerhin gilt seit 2023 die Mehrwegangebotspflicht für die Gastronomie, die – trotz einiger Ausnahmen und Lücken – dazu geeignet wäre, das Thema jedenfalls psychologisch bei den Konsument:innen zu verankern. Nachdem insbesondere Corona Essenslieferungen nach Hause oder ins Büro zu einer Selbstverständlichkeit gemacht hat, gäbe es hier einen entsprechenden Hebel. Sie merken: wir schreiben im Konjunktiv. Denn zumindest 2022, also vor Inkrafttreten der Mehrwegangebotspflicht, war der Anteil der genutzten Mehrweg-Optionen beinahe unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Nur 0,1 Prozent der Speisen und gerade einmal vier Prozent der Getränke wurden in Mehrweg-Behältern konsumiert. Schade eigentlich, denn Pizzakartons, Saucendosen oder To Go-Boxen machen immerhin 80 Prozent des gastronomischen Verpackungsvolumens aus. “Das To Go-Angebot in Mehrweg ist noch in den Kinderschuhen. Es gibt aber klare gesetzliche Tendenzen, die Ausgabe hin zu Mehrweg zu forcieren: Das Verbot von Einwegverpackungen bei Verzehr vor Ort wäre da zu nennen. Auch die Rücknahme muss noch deutlich komfortabler für die Verbraucher:innen werden. Mit der Rückgabe sind dann natürlich auch Hygiene-Aspekte verbunden, sowohl am Ort der Rücknahme als auch bei der Reinigung. Das ist nicht trivial und die Ausgabestellen müssten auch eine Reinigung vorsehen - was viele Imbisse gar nicht haben. Daher muss die Rücknahme erst neu organisiert werden”, erklärt Peter Désilets die Hürden.
Mehrweg im B2B-Bereich: unterschätzt und innovativ
Ein anderes Versuchsfeld für Mehrweg kann die industrielle Logistik sein – und dort finden wir einen vielleicht unerwarteten Verbündeten: die Elektromobilität. Der Bedarf an Lithium-Ionen-Batterien nämlich wird in Deutschland bis 2030 auf rund 2.000 Gigawatt-Stunden ansteigen – eine Verzehnfachung der heutigen Nachfrage. Und diese Batterien, empfindlich, unhandlich und schwer, wollen auch sicher transportiert werden. Mittlerweile bieten einige Hersteller Mehrweg-Konstruktivverpackungen (KVPs) an, um die Nachfrage adressieren zu können. Die technologischen Hürden sind dabei einigermaßen hoch: die Batterien werden als Gefahrgut eingestuft, die Behälter benötigen daher auch hohe Sicherheitsstandards. Doch in solchen spezialisierten Nischen liegt auch viel Charme, denn sie schaffen Innovationsdruck im Verpackunsgsektor.
“Auch in anderen Industrien wird Mehrweg im B2B schon lange gelebt. Viele OEM-Teile werden in Mehrwegbehältern angeliefert, Apotheken bekommen Ihre Lieferungen in Mehrwegboxen, Obst, Gemüse, Fleisch und Fisch kommen häufig schon in Mehrwegkisten, Paletten werden in Pools geführt. Darum gibt es Organisationen wie ENFIT, die sich um geregelte Kreisläufe und Rückverfolgung kümmern, damit Standards gesetzt werden”, so Désilets.
Ein Mehrweg-System, das mitwächst
Pacoon wählt indes bei seinem Mehrweg-Konzept CYRCOL einen umfassenden Ansatz, den auch ein hoher Convenience-Anspruch zugunsten der Konsument:innen und Bedachtnahme auf die Bedürfnisse der Händler beim Ausbau der Infrastruktur auszeichnet. So setzt das Konzept etwa statt heute proprietärer Systeme auf PaaS (Product as a Service), Mietbehälter, regionale, unabhängige Reinigungsstationen und eine optimiertes Rückholsystem. Diese werden gerade in Kooperation vieler nationaler und internationaler Netzwerke aufgebaut, wie etwa dem Mehrwegverband oder mit Getränkepools.
Das Ziel ist ein System, das sowohl bequem für Konsument:innen wie auch gut in die Kreislaufwirtschaftssysteme des Handels integrierbar ist. Ein solches Mehrwegsystem muss modular aufgebaut sein und flexibel auf den Markt reagieren. Die Entkoppelung von Mehrwegbehälter und Eigentum der Marke wird auch einen großen Schub für die Verwendung und Verfügbarkeit von Produkten in Mehrweg geben. Der Kauf der Behälter, die Reinigungsanlagen und der Kampf um die letzten Prozent von gekauften aber standardisierten Behältern war bisher ein Hemmnis für die Ausweitung.
Auch ist eine Neutralisierung der Behälter im Reinigungsschritt vorgesehen. So kann einerseits ein Branding aufgebracht werden, andererseits müssen die Behälter nach der Reinigung nicht wieder zum Markeninhaber transportiert werden, sondern können in der Region verbleiben. Dies wird den Sortier- und Transportaufwand deutlich reduzieren. Dass nur die wenigstens Brands es schaffen, über die Packungsform ein Wiedererkennung zu erreichen, haben in den letzten Jahren viele Brand Owner erkannt. Dafür wird dem Nachhaltigkeitsgedanken durch Harmonisierung ein deutlicher Kostenvorteil zugestanden. Das soll auch dabei helfen, die Skepsis von Marken gegenüber Mehrweg-Systemen aus Branding-Gründen zu senken. Denn wir wissen: eine Verpackung ist auch ein starkes Markensignal. Peter Désilets über die Vorteile des Mehrweg-Systems von Pacoon: “Unser Mehrwegkonzept berücksichtigt mehrere Punkte, die bisher nicht optimal waren: angefangen bei einem System, das nicht nur stapelbar ist - wie alle bisherigen Mehrweggebinde - sondern auch nestbar im leeren Zustand. Dies erreichen wir durch ein spezielles Kastensystem mit Tray und Behälter, die in sich nestbar sind. Die einfache Form ermöglicht auch eine gute Befüllung und Reinigung. Modulare Kastenrahmen in Kombination mit modularen Trays erlauben auch eine Vielzahl von Verpackungseinheiten pro Kasten je nach Behälterformat. Viele weitere Aspekte sind schon angedacht, die das Konzept von bestehenden Gebinden deutlich unterscheiden.”
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