Der Weg zu immer umweltfreundlicheren Verpackungen ist noch lange nicht zu Ende gegangen. Und er ist ebenso spannend wie vielfältig.
1. Re-Use: Mehrwegverpackungen heben ab
Rund 80.000 Rücknahme-Automaten, die jährlich um die sieben Milliarden Getränkeverpackungen aus Glas, Kunststoff und Metall aufnehmen werden: Mit dem „RetuRO“-System hat Rumänien das bislang größte Mehrweg-Netz Europas aufgebaut. Das Land bildet aktuell die europäische Speerspitze in Sachen Re-Use und stellt damit sogar Frankreich in den Schatten, das die Thematik in den letzten Jahren vorantreibt.
Mehrwegverpackungen sind unbestritten die langfristig vielversprechendste Lösung auf dem Weg zu umweltfreundlicher Verpackung und Circular Economy. Voraussetzung sind jedoch neue Logistik- und Rücknahmemodelle, wie sie derzeit im Aufbau sind. Das in Deutschland etablierte Poolsystem ist begrüßenswert, darf aber nicht linear in die Zukunft übertragen werden, sondern bedarf der Optimierung und Erweiterung um komplett optimierte Schritte.
“Das Poolsystem in Deutschland hat sich über die Jahre leider verschlimmert. Anfangs existieren einheitliche, standardisierte Flaschen und Kisten im Getränkebereich. Diese wurden dann immer individueller gestaltet von den Abfüllern. Dadurch ist die komplette Logistik aufwändiger und weniger profitabel geworden, dazu ist die Automatisierung nicht über alle Schritte erfolgt. Zusammen mit vielen Netzwerken und Partnern wird daher ein neues System entwickelt, das international die Schwachstellen beheben und das System wieder attraktiv machen soll. Wir für unseren Teil haben dazu auch ein neues Mehrwegkonzept entwickelt aus Primär- und Transportbehältern, das viele Vorteile aufweist.” so pacoon-Geschäftsführer Peter Désilets.
Das brandneue Mehrweg-Konzept von pacoon können Sie übrigens bei der Anuga FoodTec 2024 (19.–22. März, Köln) erleben und mit pacoon die Möglichkeiten eines Markttests besprechen.
2. Recycling: Klassiker mit stagnierenden Quoten
Während sich Re-Use zur härtesten Währung für nachhaltige Verpackung entwickelt hat, bleibt selbstverständlich auch Recycling ein wichtiges Thema. Die beabsichtigte Verpackungsrichtlinie der EU setzt hier einen klaren Fokus: Demnach müssen die EU-Staaten bis 2025 mindestens 65 Prozent ihrer Verpackungsabfälle recyceln, bis 2030 erhöht sich die Zielquote auf 70 Prozent. Hinzu kommen spezifische Vorgaben für einzelne Materialien.
Die derzeit tatsächlich erreichten Recyclingquoten sind in den Mitgliedsstaaten noch recht breit gestreut. Bei Kunststoffverpackungen etwa sind die Slowakei, Litauen, Bulgarien oder Deutschland mit teilweise über 50 Prozent führend, während in anderen Ländern noch immer weniger als ein Viertel der Mengen recycelt wird. Insgesamt bleiben die Quoten unbefriedigend – und es bedarf hoher Investments, um die benötigte Infrastruktur auszubauen und damit die Sammel- und Sortierquoten in die Höhe zu treiben. Letztenendes landet aber dennoch ein großer Teil der Kunststoffe nicht im Recycling, sondern häufig noch im Ausland und wird dort unsachgemäß ‘entsorgt’.
“Wir sprechen von vielen Millionen an Investitionen in die Infrastruktur für Kunststoffrecycling, die getätigt werden müssen. Aus Deutschland wissen wir seit langem, dass aber auch Verbraucher:innen nicht automatisch Kunststoff-Einwegverpackungen sammeln. Bei Papier ist diese Sammel- und Recyclingquote sehr viel höher. Warum also hohe Investitionen nicht gleich in ein vielversprechendes Re-Use-System investieren, wo wir von Rücklaufquoten von über 90 % sprechen?” fragt Désilets.
3. Rezyklate: Das große Warten auf PPWR
Der künftige Einsatz von Rezyklaten ist stark von der Entscheidung zur PPWR abhängig. Die Packaging & Packaging Waste Regulation der EU, über deren Inkrafttreten bis März verhandelt wird, sieht unter anderem einen Mindestanteil an Rezyklaten vor allem in Kunststoffverpackungen vor.
Derzeit ist der Einsatz von Rezyklaten schwierig, da die Verfügbarkeit geeigneter Materialien gering ist und sich zudem vor allem bei PET langsam die Erkenntnis durchsetzt, dass damit der Flaschenkreislauf unterbrochen wird und ständig neues Virgin Material in den Getränkeflaschenbereich einfließt. Die Hoffnung auf chemisches Recycling lässt die Branche derzeit abwarten, ob kurz vor den „PPWR-Fristen“ noch saubere Rezyklate in den Markt kommen – eine Hoffnung, die sich wohl nicht erfüllen wird, da die Verfahren sehr aufwändig sind, die Output-Menge aus der Pyrolyse sehr gering ist und außerdem in Konkurrenz zu mechanischen Rezyklaten wie PE und PP steht.
Der Rezyklat-Einsatz aus mechanischem Recycling wird wiederum nicht nur vom Ölpreis abhängen, sondern auch von neuen Barrieren, die den lebensmitteltauglichen Einsatz von Rezyklaten ermöglichen. Sofern sich keine neuen, rentablen Einsatzkanäle außerhalb von Verpackungen auftun oder der Ölpreis deutlich steigt, wird die Recyclingbranche weiter unter starken Druck geraten. Eine spannende Frage ist überdies, wie weit sich lösemittelbasiertes und enzymatisches Recycling – in industriell relevanten Volumina – durchsetzen werden.
“Wir müssen uns doch fragen, was wir am Ende erreichen wollen. Einerseits einen niedrigeren oder neutralen CO2-Fußabdruck und andererseits weniger Umweltvermüllung in erster Linie durch falsch entsorgte Kunststoffverpackungen. Daher müssen wir auch komplett neu denken, wie wird das erreichen können. Einerseits könnten wir Virgin Plastic auch durch biobasierte Kunststoffe erreichen und die Produktionskapazitäten dramatisch erhöhen. Durch die dadurch günstigeren Kosten könnten wir andererseits auch auf biologisch abbaubare oder kompostierbare Kunststoffe setzen, für die sich auch ein Recycling rentieren würde oder die für die Energieausbeute nutzbar wären. Heute ist der Anteil der direkt energetisch genutzten Agrarfläche 100 bis 200 Mal höher als die für Verpackungen. Durch eine Kaskadennutzung könnten wir die Agrarfläche deutlich sinnvoller nutzen.” plädiert Peter Désilets auch für ein generelles Umdenken.
4. Faserbasierte Verpackungen: Wachstum für das Nachwachsende
Bei den Konsument:innen haben sie ein exzellentes Image: Verpackungen auf Basis natürlicher Fasern. Und warum sind sie dann nicht längst Standard? Diesen Effekt können sich Faserbasierte Verpackungen zu Nutze machen. Und hier tut sich derzeit einiges, sowohl bei Faserrohstoffen als auch bei den Technologien, diese Fasern in neue Verpackungslösungen zu bringen.
Um dem biobasierten Verpackungsmaterial zum Durchbruch zu verhelfen, bedarf es in erster Linie neuer Technologien und neuer Barrieren. Einzelne Verpackungen aus 90 % und mehr Zellulose-Anteil erreichen bereits heute bei Produktschutz und Haltbarkeitsdaten annähernd die gleichen Werte wie ihre folierten Pendants. Ein Beispiel dafür ist die Nusspackung von Delfort und Magna Sweets oder auch eine Lösung von ImpaQ: eine faserbasierte Lebensmittelverpackung, die das Recycling im Altpapierkreislauf ermöglicht. Mehrere sehr vielversprechende Ansätze verfolgen das Ziel, als Barriere extrem dünne und biologisch basierte oder bio-abbaubare Beschichtungen zu etablieren.
Außerdem geraten immer mehr potenzielle Materialien in den Fokus: Gras, Bagasse, Hanf und Stroh gelten als spannende Kandidaten, ebenso Reisstroh und Bambus, und sogar Seegras und Algen gelten als vielversprechend, um den Rohstoff Holz zu entlasten. Entscheidend wird in jedem Fall sein, dass die Verpackungen im Altpapierstrom funktionieren und ein Faserrecycling erzielt wird – dann haben faserbasierte Verpackungen eine glänzende Zukunft.
“Wir verfolgen diese Entwicklungen schon seit 2010 mit großem Interesse. Parallel dazu fordern und prüfen wir die Recyclingfähigkeit der Fasermaterialien im Altpapierstrom und eventuelle negative Auswirkungen auf die Qualität der Recyclingfasern. Wir stimmen aber weder in den Gesang ein, dass jede faserbasierte Verpackung gut ist, noch dass Verbundverpackungen per se schlecht sind. Das End of Life-Szenario muss immer im Einzelfall geprüft und von Anfang an mitgedacht werden.” so Peter Désilets zur langjährigen Erfahrung mit Faserverpackungen.
5. Glasverpackungen: Renaissance dank Technologie
Das Dilemma ist altbekannt. Glasverpackungen sind unter Lebensmittel-hygienischem Gesichtspunkt nahezu perfekt und außerdem ideal geeignet für den Mehrweg-Einsatz: Sie können bis zu 50-mal wiederverwendet werden. Auf der anderen Seite der Gleichung: Glas droht zu brechen und seine Herstellung ist ebenso energie- wie ressourcenintensiv. Und das gilt leider auch für das Einschmelzen von Altglas im Zuge des Glasrecyclings, wo immerhin 60-70 % des Energiebedarfs wieder aufgewendet werden muss.
Dennoch könnte 2024 ein Jahr der Glasverpackungs-Renaissance werden, sowohl im Einweg- als auch im Mehrweg-Bereich. Und das ist – wieder einmal – neuen Technologien geschuldet. Die Entwicklung geht dabei in zwei Richtungen: Dank neuer Chemischer Härtungstechnologien kann Glas immer dünner und gleichzeitig härter werden. So entstehen robustere Leichtglasverpackungen, deren geringere Masse auch hilft, Transportkosten zu senken und eine Wiederverwendung zu erhöhen.
Entscheidend wird allerdings sein, dass die neuen Potenziale auch von der Glasindustrie erkannt werden. Denn nur dann wird sie auch bereit sein, hohe Investments in neue Technologien zu tätigen. Dass sie dabei auch die Produktion selbst in Richtung Klimaneutralität trimmen kann, zeigt eindrucksvoll das neue Hybrid-Glaswerk von Ardagh: Es wird zu 80 Prozent mit Strom und nur zu 20 Prozent mit Gas betrieben. Damit macht die Industrie sich weniger abhängig von Rohstoffländern wie Russland.
“Die Glasindustrie will in den nächsten fünf bis zehn Jahren komplett klimaneutral werden - einerseits durch Reduktion des CO2-Aufwands, andererseits durch Kompensation des nicht reduzierten CO2-Ausstoßes. Wenn wir es schaffen, auf 40 bis 50 % leichteres Glas mit höherer Bruchfestigkeit zu switchen und dann noch den Energieaufwand zu reduzieren durch erneuerbare Energie, dann ist die Klimaneutralität nicht nur deutlich schneller erreichbar, sondern auch deutlich günstiger. Bei pacoon haben wir unser Mehrwegkonzept daher auf Basis dieser neuen Leichtglastechnologie angedacht, was gegenüber Einweg nochmal dramatische Einsparungen bedeutet.” so Peter Désilets.
6. Kommunikation: Wenn weniger tatsächlich mal mehr ist
Bisweilen ist es erstaunlich, wie viel Text manche Hersteller auf ihren Produkt-Verpackungen unterbringen. Vieles davon ist gesetzlich vorgeschrieben, anderes informativ oder auch nur unterhaltsam. Ein bestimmter Teil könnte demnächst allerdings verschwinden.
Mit der Green-Claims-Richtlinie geht die Europäische Kommission gegen Greenwashing vor. Und hier gibt es einiges zu tun: Laut einer Studie der Kommission aus 2020 sind 40 Prozent der von Unternehmen gemachten Umweltaussagen „völlig unbegründet“, mehr als 50 Prozent „vage, irreführend oder haltlos“. Der Vorstoß der Kommission zielt darauf ab, dass solche Aussagen künftig durch eine glaubwürdige und angemessene Begründung validiert werden müssen. Zugleich soll auch der Wildwuchs an neu entstehenden Umweltzeichen beendet werden – etwa durch das Zwischenschalten einer Zertifizierung durch unabhängige Prüfer.
Sollte die Richtlinie in Kraft treten, wird sich auch die Kommunikation über Verpackungen verändern. Sie wird zunächst wohl reduziert werden und sich in einem zweiten Schritt auf die wesentlichen und belegbaren Aussagen konzentrieren. Eine erfreuliche Entwicklung für die Verbraucher:innen und die Glaubwürdigkeit von Marken.
Doch bevor sich die Kommunikation auf Verpackungen ändert, muss sich Nachhaltigkeitskommunikation in Unternehmen grundsätzlich ändern: vom Nice to have zur tragenden Säule im Content Marketing und in der gesamten Markenstrategie.
“Nicht nur im B2C wird die Kommunikation deutlich präziser werden müssen. Auch im B2B müssen sich die Unternehmen neu orientieren. Statt simpel von ‘nachhaltig’ zu sprechen, werden sich die Unternehmen überlegen müssen, was sie genau ihren potenziellen Kund:innen an Vorteilen anbieten. pacoon hat daher schon vor zwei Jahren eine Kooperation mit der Content Marketing-Agentur AustriaContent gestartet und bietet mit dem Service Pacontent Unternehmen an, ihre Botschaft nicht nur inhaltlich zu schärfen, sondern auch die Kommunikation SEO-konform und nutzbringend aufzubereiten und zu verbreiten. Wir selbst nutzen AustriaContent ja auch für unsere Kommunikation. Und wir untersuchen regelmäßig mit eigenen Studien, welche Aussagen im B2C und B2B verstanden werden und relevant sind.” sagt Peter Désilets.
7. Geschäftsmodelle: Es wird deutlich vielfältiger
Vieles von dem, was in Industrie und Handel noch vor Jahren als „neues Geschäftsmodell“ bezeichnet wurde, ist heute längst etabliert. Im Bereich der Verpackungen geht es tendenziell noch etwas konservativer zu. Ansätze wie Product as a Service, intelligent eingesetzte Digitalisierung oder Tracking und Tracing oder der Digitale Produktpass oder Digitaler Zwilling warten hier vielerorts auf den echten Durchbruch. 2024 sollte jedoch einen (weiteren) Schub bringen. Denn gute Beispiele gibt es durchaus.
On-demand-Packaging etwa, also die Herstellung der Verpackung direkt beim Versender, wobei Kartons nur noch in der benötigten Größe und Menge erzeugt werden. Die Effekte sind klar: weniger Füllmaterial, geringere Versandkosten, weniger Verpackungsmüll, Beschädigungen und damit auch Retouren. Auch Product as a Service wird bereits auf Verpackungen angewendet – also das Modell, diese nicht mehr als Einwegprodukte zu entsorgen, sondern dem Versender oder Händler für eine Wiederverwendung zu retournieren. Ein klassischer Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft also.
Enormes Potenzial liegt noch in der Digitalisierung und dem Einsatz von KI. Verpackungen, die mit „Intelligenz“ ausgestattet werden, neue und verbesserte Formen der Sendungsverfolgung, erhöhte Datensicherheit und neue Formen der Datenanalyse. Als wie spannend etwa künstliche Intelligenz in diesem Zusammenhang erachtet wird, zeigt die Einrichtung des KI Anwendungshub Kunststoffverpackungen, in dem mehr als 50 Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft vereint sind. Das gemeinsame Ziel: der Austausch von Daten über die komplette Wertschöpfungskette.
“Wir nutzen KI seit einigen Jahren in unserer täglichen Arbeit, sowohl im Design als auch in der Kommunikation. Als Teil des Förderprojektes KIOptiPack zusammen mit über 40 Partnern sind wir sehr gespannt, wie durch KI die Rezyklatqualität und der -Einsatz optimiert werden können. Aber auch andere Themen haben wir uns für die nächsten Jahre vorgenommen.” deutet Peter Désilets an.
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