Wie erreicht PACOON eigentlich Renew und Remove bei Verpackungsmaterialien – und wo brauchen Kunden vor allem Beratung?
Renew bedeutet ja nicht nur „neues Material, das nachwächst“, sondern auch New Thinking im Konzept an sich. Also: was muss erreicht werden, um erneuerbare Materialien einsetzen zu können. Da kommen bei Lebensmitteln, Kosmetika oder Tierfutter auch häufig hohe Barriereanforderungen ins Spiel. Daher führt der Weg zu Renew meist über den Einsatz neuer Barrieren, die optimalerweise auch biobasiert sind. Wir arbeiten auch an Alternativen zu Alufolien oder Alubedampfung – also unter dem Remove-Ansatz, um funktionelle aber schädliche Stoffe zu reduzieren – die eine sehr hohe Barriere bieten. Manchmal braucht es diese Hochbarrieren aber gar nicht, das ist auch ein wichtiges Learning bei Kunden selbst. Statt zu fragen, was wäre die höchste Barriere, um auf Nummer Sicher zu gehen, versuchen wir, erstmal die wirklichen Anforderungen zu erarbeiten – die viele Kunden selbst auch nicht kennen. Und davon ausgehend suchen wir akzeptable Lösungen oder können tatsächlich gute Hochbarrieren anbieten. Denn es ist einfacher, Alternativen zu finden, die geringere Barriere-Anforderungen erfüllen, als Höchstbarrieren zu ersetzen.
Wie oft kommt es eigentlich vor, dass Unternehmen explizit neue Materialien für ihre Verpackungen suchen, ohne diese Verpackungen ganz neu denken zu wollen?
Das ist sogar sehr häufig der Fall, vielleicht sogar der erste klassische Ansatz. Allerdings ist das häufig mit teureren Materialien verbunden, denn es gibt ja einen guten Grund, warum viele Verpackungen in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer dünner und effizienter gestaltet wurden. Das biobasierte Zaubermaterial, das besser oder gleichwertig ist und dann auch noch billiger, gibt es bei Kunststoffen eher nicht. Bei Fasern ist das schon eher möglich, insbesondere wenn es um Abfallrohstoffe oder Recyclingfasern geht. Ein weiteres Ziel sind meiste auch die Quick Wins, die quasi immer Teil eines Briefings sind. Wo kann ich schnell ohne viel Aufwand gute Verbesserungen erreichen. Jedoch sollte ein Konzept dort nicht stehen bleiben, denn diese „tiefhängenden Früchte“ oder Neudeutsch „Low Hanging Fruits“ bedeuten in aller Regel auch geringe Effekte in der CO2-Bilanz, den Kosten und meist auch bei der Zirkularität.
Wann machen Renew und Remove Sinn – und wann müsst Ihr allzu große Hoffnungen dämpfen?
Remove und Renew machen eigentlich immer Sinn, wenn es um fossile Kunststoffe geht – und das ist ja eine der meisten Anfragen zur Zeit. Aber es ist auch eine besondere Herausforderung, hier Lösungsansätze zu finden und zu entwickeln. Allzu große Hoffnungen müssen wir häufig im Bereich Biokunststoffe dämpfen, einfach weil die Verfügbarkeit noch immer sehr gering ist. Und weil Kompostierung oder industrielle Kompostierung nicht wirklich realistisch sind. Genau genommen ist eine Entsorgung über die Biotonne sogar rechtlich verboten. Da müssen wir schon weit in die Analyse des Absatzmarktes einsteigen, wo es Sinn macht.
Welche drei Hürden müssen Unternehmen nehmen, um alternative Materialien erst einmal einsetzen zu können?
Hürde Nummer ein beim Einsatz ist meist eine ausreichende Menge an Verpackungen, weil diese Materialien in der Regel nicht schnell in allen Varianten und kleinen Mengen verfügbar sind. Eine nächste Hürde sind die Kosten für die Verpackungen, die bei kleinen Mengen sehr hoch ausfallen können. Wer große Mengen benötigt, bekommt meist auch gute Preise. Die dritte Hürde ist für uns immer die Frage nach der tatsächlichen Recyclebarkeit, die sollte immer im Auge behalten werden. Nicht alles, was bei den Rohstoffen nachhaltig und biobasiert ist, kann hinten raus auch bestmöglich verwertet werden.
Könntest Du kurz skizzieren, wie die Transformation zu neuen Materialien überhaupt aussieht?
Die Transformation hat völlig unterschiedliche Szenarien. Im Bereich Biokunststoffe wie etwa PLA als einem der bekanntesten Materialien hat ein Folienwechsel auch Auswirkungen auf die Verarbeitungstemperatur und Geschwindigkeit, die es an den Maschinen einzustellen gibt. Aber neben anderen Barriereeigenschaften zu PE-Folien verhält sich die PLA-Folie schon bei der reinen Lagerung auf Rolle je nach Klima anders und auch als Verpackung von Produkten, die „über den ‚Äquator‘“ reisen, wachsen die Ansprüche an die Langlebigkeit der Folien. Wenn wir langlebige Produkte verpacken, die fünf bis sechs Jahre im Lager oder Regal verbringen, sollte die Folie auch dann noch ihre Grundfunktionen erfüllen. Das ist nicht immer einfach bei „kompostierbaren“ Folien und häufig ein No-Go.
Bei nachwachsenden Faserstoffen, die nicht aus Holz gewonnen werden, sind die Anforderungen wieder andere. Diese Materialien müssen erprobt sein, die Herstellung einerseits, aber auch die gleichbleibend hohe Verfügbarkeit des Rohstoffs andererseits müssen erfüllt sein. Vor etwa zehn Jahren hatten wir Zuckerrohrfasern als Verpackung im Angebot, aber die Verfügbarkeit mit sechs bis acht Wochen Lieferzeit aus Asien entsprach nicht der kurzfristigen Reaktionszeit der Kunden. Das lag also nicht am Material, dem deutlich niedrigeren CO2-Wert, der guten Qualität, Druckfähigkeit und der Gewichtseinsparung. Es war schlichtweg nicht „auf Lager“. Diese und weitere Aspekte wie Rezyklierbarkeit, Verarbeitung, Unbedenklichkeit der Herkunft gilt es zu beachten.
Welche Rollen spielen angespannte Lieferketten und Rohstoffpreise beim Trend hin zu nachhaltigeren Materialien?
Auf jeden Fall hat es den Blick geweitet, sich nach Alternativen umzuschauen. Jahrzehntelang war es einfach und bequem, sich auf bestimmte Materialien zu verlassen. Die Lieferketten, Zeiträume, Verfügbarkeiten waren gewährleistet, die Materialien waren vermeintlich billig. Durch die gestörten Lieferketten und die deutlichen Preisanstiege mussten die Unternehmen umdenken. Parallel dazu hat Nachhaltigkeit endlich den Durchbruch geschafft, die Gesetze wurden verschärft und die Unternehmen konnten sich nicht mehr darauf ausruhen, weniger Schlechtes zu machen. Sie mussten auf einmal eine gute Lösung suchen, um nicht abgehängt zu werden oder drauf zu zahlen. Es kamen also zwei Faktoren zusammen, die gemeinsam den Druck erhöht haben, nach Alternativen Ausschau zu halten. Wir hören immer wieder den Satz „Wir haben schon vor Jahren uns zum Ziel gesetzt, nachhaltigere Lösungen zu verwirklichen, aber jetzt ist der Druck vom Gesetz und Handel so groß, dass wir sofort agieren müssen“. Glückwunsch zu dieser Entscheidung!
Was erwarten Unternehmen von einem solchen Materialtausch und sind diese Erwartungen dann auch immer zu erfüllen?
Ein „einfacher“ Materialtausch ist immer noch sehr komplex und häufig wird dieser nicht bedacht. Aber er ist immer noch einfacher als das komplette Verpackungskonzept neu anzudenken. Darum hören wir immer häufiger, „Wir haben es versucht, aber wir kommen nicht weiter und benötigen externe Expertise“. Teils gibt es auch sehr überzogene Timing-Vorstellungen. Das steht auch in Wechselbeziehung zum Ergebnis. Natürlich kann ich auch kurzfristige Timings einhalten, aber wenn die Dringlichkeit höher angesiedelt ist, als die Wichtigkeit, dann müssen Abstriche am Konzept hingenommen werden. Niemand wird mir in vier, fünf Jahren vorhalten, dass unser Konzept schlecht, aber das Timing perfekt gewesen wäre! Es wird in der Regel immer das Konzept bewertet; ob das Timing eingehalten wurde, spielt bei einem erfolgreichen Konzept keine Rolle. Ein schlechtes Konzept bleibt dagegen schlecht. Daher sollten die Ziele klar definiert werden. Aber es ist auch durchaus möglich, ein gutes Konzept in einem engen Timing zu realisieren, dann vielleicht aber nicht sofort über das ganze Portfolio oder nur mit kleinen Start-Mengen.
Wann macht es überhaupt keinen Sinn, sich mit Renew und Remove zu beschäftigen?
Es macht immer Sinn, sich damit zu befassen. Renew und Remove bieten beide das Potenzial, CO2, limitierte Ressourcen oder schädliche Umweltbelastung zu vermeiden und zu reduzieren. Beides ist auch in allen Verpackungstypen möglich, ob Einweg oder Mehrweg und das bei allen Materialien wie Fasern, Metallen, Kunststoffen oder Glas. Die 100%-Lösung gibt es nicht, also gibt es auch immer noch Optimierungspotenziale. Ich sage immer: Nachhaltigkeit bedeutet die Reduktion von Verschwendung; und das bedeutet Kosteneinsparung. Wer sich also mit Renew und Remove nicht beschäftigt, der verschwendet Geld!
Danke für das Gespräch!