Wir müssen jetzt ein wenig enttäuschen: eine einfache Antwort auf die Frage nach dem Beitrag von Verpackungen auf die CO2-Emissionen gibt es leider nicht. Denn die Frage alleine erfordert schon einmal, sich vieler Kausalitäten und Korrelationen bewusst zu werden.
Also: fangen wir an.
Wenn die Herstellung von Verpackungen CO2 emittiert (was zweifellos der Fall ist), würde dann folgerichtig die CO2-Bilanz eines Unternehmens besser aussehen, wenn man auf Verpackungen verzichten würde? Die Antwort lautet jedenfalls in den meisten Fällen: nein. Auch wenn Verpackungen viele Funktionen haben, je nachdem an welcher Stelle der Wertschöpfungskette sie auftauchen, so ist der Schutz des jeweiligen Produktes ganz sicher der Kern des Bemühens von Verpackungsdesigner:innen wie uns, von Verpackungsherstellern und natürlich auch von Produzenten. Üblicherweise verursacht die Herstellung des verpackten Gutes wesentlich mehr CO2-Emissionen als die Produktion der Verpackung. Der Schaden für das Weltklima wäre also wesentlich größer, würden Güter vom Laptop über den Schokoriegel bis zum Brot nicht geschützt und damit eine höhere Produktion dieser Güter notwendig werden. Sehen wir uns diesen Gedankengang einmal anhand von Lebensmitteln an: jährlich, so schätzt die UN-Welternährungsorganisation FAO, verrotten 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel von der Produktion bis zum letztendlichen Verzehr. Sie entsprechen nicht den Normen, fallen als Abfall im Produktionsprozess an, sie werden achtlos weggeworfen oder bleiben in den Regalen der Supermärkte, bis sie dort entfernt und vernichtet werden müssen oder überschreiten das Mindesthaltbarkeitsdatum beim Verbraucher. Diese 1,3 Milliarden Tonnen ungenützter Lebensmittel verursachen jährlich 4,4 Gigatonnen CO2-Emissionen. Würden wir die Verschwendung von Lebensmitteln unter anderem durch Verpackungen, die den zeitlichen Verzehrkorridor verlängern, beseitigen können, würden wir rund 8% der gesamten CO2-Emissionen weltweit einsparen können.
Reden wir nochmal über Gurken
Natürlich sind auch Verpackungen verantwortlich für Treibhausgase. Ihr Anteil ist aber vergleichsweise gering. Um beim Beispiel Lebensmittel zu bleiben: rund 98% der CO2-Emissionen eines verpackten Lebensmittels sind dem Produkt selbst zuzurechnen, nur zwei Prozent kommen von der Verpackung.
An der Stelle wird es Zeit für das berühmte und offenbar heiß diskutierte Beispiel mit den in einem dünnen Plastikfilm verpackten Gurken: der dünne Plastikfilm sorgt dafür, dass eine Gurke nicht bloß drei, sondern bis zu 14 Tage genießbar bleibt. Das spart pro Gurke rund 13,5 Gramm CO2, die Produktion der Plastikfolie verursacht aber nur 4,4 Gramm Emissionen. Allerdings würde auch laut neuesten Studien eine dickere Schale der Gurke eine längere Haltbarkeit verleihen, ohne dass eine Geschmacksbeeinträchtigung entstehen würde – diese dickere Schale entspricht jedoch nicht der Norm und das wiederum verhindert die Einsparung der Folie.
Schutz für Produkt und Klima
Wie eine Verpackung also zur Treibhausgas-Bilanz beiträgt, orientiert sich auch immer am Nutzen der Verpackung für den Schutz des Produktes. Für uns Verpackungsdesigner:innen bedeutet das ganz ehrlich auch immer eine schwierige Frage des Abwägens zwischen verschiedenen Materialien. „Nur der CO2-Wert allein ist jedoch als Kriterium für die Auswahl des Verpackungsmaterials nicht ausreichend. Zu dem reinen Materialwert kommen noch die CO2-Emissionen für Transport, wertstoffliches Recycling, Wiedereinsatz oder auch Kompostierung oder Verbrennung – mit oder ohne Energiegewinnung. Wir müssen uns also den gesamten Lebenszyklus anschauen.”
Die Wirkung auf die Transportketten
Doch es gibt natürlich noch viel mehr Stellschrauben, wie Verpackungen zur CO2-Bilanz eines Produktes beitragen oder diese auch vermindern können. Der Schlüssel dazu ist in vielen Fällen cleveres Verpackungsdesign. Wenn eine Verpackung weniger Platz benötigt, bedeutet das auch: mehr Verpackungen pro Palette und damit weniger CO2-intensiver Transport. „Dies erleben wir gerade sehr stark bei der Kompensierung von Styropor durch faserbasierte Materialien. Styropor ist leicht und billig, aber sehr voluminös. Durch geschickten Austausch mit anderen faserbasierten Stoffen haben wir hier wiederholt die Menge an Packstoffen um das 10 bis 20-fache erhöht. Dazu kommen noch weitere Einsparungen entlang der gesamten Supply Chain.” Anderes Beispiel gefällig? Der Leuchtmittelhersteller Glamox hat seine Transportverpackungen so optimiert, dass 35% mehr Einheiten pro Palette transportiert werden können.
Auch Kunststoff kann klimafreundlich sein
Die Wiederverwendbarkeit von Verpackungen kann ein weiterer Impuls zur Reduktion von CO2-Emissionen sein, auch wenn die Materialwahl auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so nachhaltig wirkt. So hat etwa das Fraunhofer-Institut in einer Studie verglichen, ob denn nun Kunststoffbehälter oder Karton als Transportverpackungen für Obst und Gemüse die bessere CO2-Bilanz bringen. Kunststoff war da der eindeutige Gewinner: die CO2-Emissionen bei Kunststoffbehältern lagen um 60% niedriger als jene von Kartons. Zwar ist die Herstellung von Plastikbehältern CO2-intensiver, aber ihre Wiederverwendbarkeit dreht diese ursprünglich negative Bilanz ab dem sechsten Transport zu ihren Gunsten.
Der zwingende Schluss aus solchen Beispielen: Auch wenn der direkte Effekt der Verpackungsproduktion auf die CO2-Bilanz von Unternehmen gering sein mag, so ist Verpackung bei der Betrachtung über die gesamte Value Chain einer der wesentlichen Hebel, um die Emissionen zu minimieren – durch die Rolle für den Produktschutz ebenso wie durch die Auswirkungen auf die Logistik. „Darüber hinaus hat die Verpackung noch viel gravierendere Einflüsse auf unsere Natur, die nicht in CO2 gemessen werden: Die Verschmutzung von Land und See durch Verpackungsabfälle, das daraus entstehende Mikroplastik und die Bedrohung der Meeresfauna – das alles sind Auswirkungen, die wir bedenken sollten, wenn wir Verpackungen konzipieren. Am Ende des Tages ist unsere Erfahrung immer wieder, dass Nachhaltigkeit eine Reduktion von Ressourcen ist, an Zeit oder Material. Und das steht dann direkt in Verbindung mit Kosteneinsparungen, in der Regel 10% und mehr über die gesamte Supply Chain und somit viel größer als nur die reinen Materialkosten.”