Während die Erwartungen gegenüber Künstlicher Intelligenz oft im Extrem liegen – Lösung für alles versus Untergang der Zivilisation –, geraten die unzähligen bereits umgesetzten und Nutzen bringenden Anwendungen ein wenig aus dem Blick. Doch überall dort, wo Datenmengen menschliche Verarbeitungskapazität überschreiten, ist KI entweder schon im Einsatz oder sollte es sein. Das gilt insbesondere auch im industriellen Umfeld. Und damit auch beim Thema Verpackung.
In diesen fünf Prozessen hilft Künstliche Intelligenz, Verpackung nachhaltiger zu gestalten:
1. An die Wurzel: KI-Algorithmen entdecken neue Werkstoffe
Im Winter 2023 machten bemerkenswerte News die Runde. Das KI-Tool GNoME der Google-Tochter DeepMind hatte die Struktur von mehr als zwei Millionen neuen Kristallen entdeckt. Darunter rund 380.000 stabile Materialien, die im Labor tatsächlich hergestellt werden könnten.
„Wir brauchen neue Materialien“
„Um eine nachhaltigere Zukunft zu schaffen, brauchen wir neue Materialien“, heißt es seitens DeepMind. „GNoME hat stabile Kristalle entdeckt, die das Potenzial haben, umweltfreundlichere Technologien zu entwickeln.“ Zwar geht es in diesem Fall der KI-Forschung eher um die mögliche Anwendung in Supraleitern oder Batterien, doch die Richtung scheint klar: Künstliche Intelligenz ist nicht nur imstande, neue Materialien zu entwerfen. Sie kann auch deren Eigenschaften simulieren, bevor sie haptisch existieren.
32 Millionen potenzielle Werkstoffe
Diesen Ansatz verfolgen etwa auch das Pacific Northwest National Laboratory PNNL und Microsoft: Ihre Kooperation führte kürzlich zur Identifikation von 32 Millionen möglichen Materialien für nachhaltigere Batterien. Binnen weniger Monate hatte das Forscherteam daraus den geeignetsten Kandidaten ausgewählt und für Tests synthetisiert.
Aussicht auf nachhaltigere Kunststoffe
Dass Verpackungsmaterialien bisher jedenfalls nicht das primäre Ziel dieser KI-Forschung sind, ist naheliegend. Doch das wird nicht so bleiben; die Suche nach neuen Materialien mit Hilfe von KI-Algorithmen hat gerade erst begonnen. Vor allem die Möglichkeit, deren Eigenschaften schon vor der Produktion virtuell zu erforschen, wird zu Durchbrüchen führen. Forscher:innen des US-amerikanische Berkeley Lab bewiesen im Vorjahr, dass auch die Forschung an und die Entwicklung von Kunststoffen bei weitem nicht abgeschlossen sind. Sie entwickelten einen Kunststoff, der prinzipiell unendlich oft recycelt werden kann.
“Die Vielfalt der heutigen Verpackungskunststoffe im Detail ist annähernd grenzenlos. Das Recycling dieser Kunststoffe, im Sinne einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft, zurück zu hochwertigen Kunststoffen für Verpackungsanwendungen ist deshalb eine gigantische Herausforderung, und ohne KI kaum nachhaltig zu lösen”, sagt pacoon-Geschäftsführer Volker Muche.
2. An den Beginn: Künstliche Intelligenz übernimmt das Design
Industrielles Design und Prototyping werden häufig als Kernkompetenzen und wesentlicher Nutzen der KI genannt. Skeptiker mögen in der Suchmaschine ihrer Wahl nach Bildern KI-generierter Verpackungen suchen. Die Ergebnisse sind erstaunlich. Abseits der Optik geht es im Nachhaltigkeits-Kontext aber vor allem um Design, das ökologische Fortschritte verspricht. Und auch hier ist Künstliche Intelligenz zu Großem fähig.
Die schlimmsten Fehler geschehen am Anfang
Wie wichtig das Design in dieser Hinsicht ist, haben Studien ausreichend belegt. Rund 80 Prozent der Umweltauswirkungen von Produkten sind demnach auf Entscheidungen zurückzuführen, die bereits in der Designphase gefallen sind. Das gilt für Smartphones genauso wie für Verpackungen.
Die technische Seite des Verpackungs-Designs ist üblicherweise sehr konservativ. Sofern sie überhaupt IT-unterstützt geschieht, ist die Grundlage etwa bei Rigid Packaging meist die Finite-Elemente-Methode. FEM unterteilt Körper rechnerisch in Teilkörper wie etwa Quader. Da deren physikalische Eigenheiten bekannt sind, kann recht gut auf die Eigenheiten des Gesamtkörpers geschlossen werden.
Optimierung nach unterschiedlichen Parametern
KI-Lösungen gehen weit darüber hinaus. Sie erlauben das Design von Verpackungen, die hinsichtlich der Wanddicken, der Struktur, der Stabilität oder generell der Materialeinsparung so optimiert sind, wie es weder menschliche Erfahrung noch FEM zustande bringen. Die Basis sind – wie immer bei KI – entsprechende Datenbanken, die in diesem Fall mit Unmengen an Details und Informationen zu Verpackungen gefüllt sind.
KI-basierte Verpackungs-Assessments
Der Ansatz funktioniert auch retrospektiv: KI-Lösungen wie OptimAI, das pacoon nutzt, ermöglichen KI-Assessments von Verpackungen, um Optimierungspotenzial bereits bestehender Verpackungen zu identifizieren. Erfahrungen zeigen, dass so bis zu 30 Prozent Materialeinsparung respektive auch Performanceverbesserung bei gleichem Materialeinsatz erzielt werden. Etwa durch Verringerung der Wandstärke oder durch Umformung des gesamten Körpers.
Bei dieser Form der Optimierung werden zudem bereits bestehende Abfüllprozesse berücksichtigt, um hier Umstellungen zu vermeiden oder so gering wie möglich zu halten. Das System bietet zudem den Nutzen eines automatischen Vergleichs von Gewicht, Leistung und Eco-Footprint der Verpackung.
“Das Optimierungspotenzial an festen Behältnissen, mit oder ohne ikonischen Formdesigns mittels konventioneller Methoden zu ermitteln, ist extrem zeitaufwendig, KI entwickelt in einem Bruchteil an Zeit ein Vielfaches an Lösungsoptionen”, so Muche.
Verpackungs-Tests ohne Verpackung
Doch zurück zur Optik: Die dank KI-Systemen generierten Prototypen erlauben nicht nur den virtuellen Test der physikalischen Eigenschaften bis hin zur Recyclingfähigkeit. Sie bieten auch die Möglichkeit, über Tests Consumer Insights zu erhalten, ohne haptische Verpackungen herstellen zu müssen. Eine Ersparnis an Material und Energie, die positiv auf den Footprint der Verpackung einzahlt.
KI-Anwendungen können auch „Designerstücke“
Und wer meint, Künstliche Intelligenz könne hier zwar technologisch optimieren, sei aber nicht in der Lage, Design im ästhetischen Sinne zu erzeugen, sei abermals auf die Suchmaschine seines oder ihres Vertrauens verwiesen: Die Datenbanken, auf welche die Systeme zurückgreifen, sind auch in dieser Hinsicht offenbar so gut bestückt, dass immer wieder tatsächliche „Designerstücke“ generiert werden.
3. An die Maschine: KI-Anwendungen optimieren die Produktion
Was für die industrielle Produktion generell gilt, das gilt auch speziell in der Verpackungs-Herstellung und im Verpackungs-Prozess: Sie zählen zu den schönsten Spielwiesen für den Einsatz Künstlicher Intelligenz im Zuge der Automatisierung. Über die gesamte Produktionslinie hinweg hilft KI dabei, Verschwendung zu minimieren – Verschwendung von Energie in erster Linie, aber auch von Ressourcen, Zeit und Manpower.
Zustandsüberwachung und Predictive Maintenance
Ein Klassiker ist hier die Predictive Maintenance, einer der etabliertesten Anwendungsfälle von KI in der Produktion verschiedenster Branchen. Was die vorausschauende Instandhaltung in der Produktion von Verpackung leisten kann, zeigt das Beispiel Mondi im westfälischen Gronau. Der Konzern produziert hier auf rund 60 Extrusions-, Druck-, Klebe- und Wickelmaschinen um die 18 Millionen Tonnen Kunststoff- und Folienprodukte im Jahr. Jede Maschine zeichnet 300 bis 400 Parameterwerte pro Minute auf und erzeugt so sieben Gigabyte Daten pro Tag.
Daten, die mit Hilfe von KI eingesetzt werden, um drohende Maschinenausfälle rechtzeitig zu antizipieren und die Wartungen entsprechend zu planen. Mit überzeugenden Ergebnissen: Mondi zufolge bringt die Predictive Maintenance von nur acht der Maschinen bereits Einsparungen von mehr als 50.000 Euro pro Jahr.
Lückenlose Qualitätskontrolle von Verpackungen
Künstliche Intelligenz hebt auch die Qualitätskontrolle auf eine höhere Ebene. Fehlerhafte Verpackungen und in der Folge beschädigter Inhalt haben nicht nur teure Schadenersatzforderungen oder sogar Rückrufaktionen zur Folge. Sie können auch Schaden an der Marke anrichten. KI-basierte Qualitätskontrolle integriert visuelle Inspektionssysteme in den Prozess, die Fehler nicht nur „sehen“, sondern dank intelligent verarbeiteter Daten auch „verstehen“.
Lernen an den Bildern
Grundlage dafür ist das Trainieren der KI mit Hilfe von Bildern intakter beziehungsweise beschädigter Verpackungen. Wie in allen Anwendungsbereichen der KI ist auch hier also eine gut gefüllte Datenbank die Voraussetzung für befriedigende Ergebnisse.
Solche Inspektionssysteme ermöglichen nahezu lückenloses Ausschleusen schadhafter Verpackungen. Das gilt für die Herstellung der Verpackungen selbst ebenso wie für den Prozess des Verpackens von Waren.
4. An den Arbeitsplatz: KI-Technologie spart Verpackung ein
Wer häufig online einkauft, hat vielleicht eine Veränderung bemerkt. Noch vor Jahren wurden einzelne Produkte oft in viel zu großen Kartons geliefert, die mit entsprechenden Mengen an Füllmaterial vollgestopft waren. Dass die Verpackungsgrößen heute viel näher am Bedarf liegen, ist auch der Forschung und dem Einsatz der KI-Lösungswege zu verdanken.
Intelligente Anpassung von Produkt und Verpackung
Der erste Schritt in der Paketlogistik, das Kommissionieren, steht besonders im Fokus von Automatisierung und Digitalisierung. Wie ernst etwa Handelsriese Amazon entsprechende Forschung und Produkte nimmt, zeigte sich zuletzt auch im Milliarden-Investment in das US-Startup Anthropic. Neben anderen Hotspots der KI in den Lagern von Amazon geht es auch um den Prozess des Verpackens.
Grundsätzlich ist für jedes Produkt die vom Hersteller genannte passende Verpackungsgröße im System hinterlegt. Ist dies aber nicht der Fall, kommen Scanner zum Einsatz, die Länge, Breite und Höhe des Produkts vermessen und dessen Gewicht bestimmen. Informationen, die entweder die richtige Verpackung an die Packstation liefern. Oder aber, sollte das Produkt in keine gängige Verpackung passen, das Zuschneiden einer passenden Schachtel nach Maß auslösen.
Einfach ist das alles nicht, weiß Volker Muche: “Verpackungsdesign und Verpackungsoptimierung ist ein anspruchsvolles Querschnittsthema, Produktschutz, Supply Chain, Abfüllprozess, Materialverbrauch, Ökologie und Konsument. Der beste Kompromiss ist die optimale Verpackung.”
Auch die Kund:innen sprechen mit
Sogar Kund:innen-Feedback fließt in die Wahl der Verpackung ein: Künstliche Intelligenz bewertet die Reaktionen der Empfänger:innen auf die verschiedenen Verpackungsoptionen. Von 2015 bis 2023, verlautet Amazon, habe man mit diesen und weiteren Maßnahmen mehr als zwei Millionen Tonnen an Verpackungsmaterial eingespart.
Der Weg zum effizienten Schlichten
Eine Stufe schwieriger wird es bei der gleichzeitigen Bestellung mehrerer Artikel. Die großen Online-Händler setzen vor dem Versand auch hier KI-Systeme ein, die anhand der durch die Scanner gewonnenen Daten das optimale Schlichten der Produkte in möglichst kleinen Kartons errechnen. Informationen, die über Monitore, VR-Brillen oder andere Lösungswege an die Picker:innen weitergegeben werden.
5. An das Ende: KI-Entwicklung sorgt für effizienteres Recycling
In den diversen Prozessen des Altstoff- und des Verpackungsrecyclings spielt KI bereits viele Rollen. In der Logistik, im Identifizieren, im Trennen und in anderen Schritten. Doch auch hier bieten sich gesamtheitliche Ansätze an.
Wenn sich mehr als 50 Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zu Innovationslaboren zusammenschließen, dürfte der Grund ein dringender sein. Im Rahmen des KI-Hub Kunststoffverpackungen geht es um den letzten Wertstoff-Schritt im Lebenszyklus der Verpackung: das Recycling und den Wiedereinsatz von Rezyklaten.
“Als Verpackungsagentur sitzen wir an einer Schlüsselfunktion zwischen dieser konzentrierten Wissens-,Material- und Technologieexpertise und der Industrieseite mit ihren Anwendungen. Durch diese Schnittstellenkompetenz können wir Einfluss nehmen auf die Koordination und In der Zusammenarbeit der Wertschöpfungskette liegt dann die wahre Komplexität des Themas”, sagt Muche.
KIOptiPack: Mehr Rezyklate in den Kreislauf bringen
Mit der Forschung am industriell sicheren Einsatz von Rezyklaten setzt sich das Innovationslabor KIOptiPack auseinander. Das Ziel ist, praxisreife KI-gestützte Tools zu entwickeln, die – beginnend beim Produktdesign – die Produktion von Kunststoffverpackungen mit möglichst hohem Rezyklat-Anteil ermöglichen. Dass Verbesserungen bei der Nutzung von Rezyklaten nötig sind, ist belegbar: Aktuell werden nur rund elf Prozent der Menge erneut zu Verpackungen verarbeitet. Da der Einsatz von Rezyklaten unter anderem durch schwankende Eigenschaften oder den Mangel an chemisch hochreinen Chargen erschwert wird, setzt KIOptiPack schon beim Produktdesign an.
K3I-Cycling: Die Kette schließen
Das Innovationslabor K3I-Cycling setzt bei der Kreislaufführung an. Zu diesem Zweck entwickelt das Team mithilfe eines Artificial Neural Twins (ANT) eine neue, offene und standardisierbare KI-Schnittstelle, die verteilte Prozessschritte miteinander kommunizieren lässt. Dabei werden Aufgaben der Prozessüberwachung und der Prozessoptimierung dezentral umgesetzt.
Entscheidend dabei: Ausgetauscht werden im Zuge der Forschung nur die Daten über die Materialströme, keine internen Daten. Ein wesentlicher Faktor, der zur Kooperation und digitalen Vernetzung aller Stakeholder der Wertschöpfungskette führen soll.
„Wie viel KI steckt künftig in Verpackungen?“
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