Eine ganze Reihe von Marken mit hohem Brand Equity (Markenwert) setzt bereits auf nachhaltige Verpackungen, etwa Frosch oder Frosta. Inwiefern hat diese strategische Entscheidung Deiner Erfahrung nach einen positiven Einfluss darauf, wie man von Kund:innen wahrgenommen wird?
Peter Désilets: Die Kund:innen nehmen durchaus wahr, wenn eine Marke sich nachhaltig engagiert und verhält. Genauso schaffen es auch manche Marken, die sich bisher weniger umweltfreundliche gezeigt haben, nur sehr schwer, mit einigen öffentlichen Engagements das Image zu verbessern. Brand Image bestimmt sehr stark die Brand Equity.
Inwieweit kann die stetig wachsende Nachfrage nach umweltverträglichen Produkten und Verpackungen eine Chance für kleinere Marken sein, die sich bereits als nachhaltige Brands positioniert haben? Was erlebt denn da Pacoon in der täglichen Arbeit?
Peter Désilets: Diese Marken profitieren jetzt natürlich von der erhöhten Aufmerksamkeit für Nachhaltigkeit und ihrer langjährigen Präsenz als umweltverträgliche Marke und Hersteller solcher eindeutig positionierter Produkte. Wir von Pacoon spüren das ja am eigenen Leib. Vor 15 Jahren wurden wir vielfach belächelt, wenn wir immer wieder den Nachhaltigkeitsaspekt hervorgehoben hatten, heute ist unsere langjährige Expertise und Vorreiterrolle gefragt. Bei kleineren Marken besteht natürlich auch die Gefahr, dass sie von großen Nachahmer-Brands überrollt oder übernommen werden.
Was gilt es für jene Marken zu beachten, wenn sie ihren Markenwert über die Verpackung steigern möchten? Reicht einfach anderes Material oder muss auch rund um Design oder Branding etwas getan werden?
Peter Désilets: Wir sagen schon seit vielen Jahren ‘Nachhaltigkeit muss sichtbar sein’ - das betrifft mehr als nur das reine Material. Die Farbe, Haptik, Struktur einer Verpackung, ein Mehrwertkonzept und das Design tragen alle zur Wahrnehmung bei, das wissen wir als Packungsdesigner am besten. Je mehr diese Designelemente einer Verpackung gespielt werden, umso stärker die Wahrnehmung. Um einen aktuellen Vergleich zu nennen: Nur weil die Sitze aus Recycling-Kunststoff sind, wird das Auto selbst noch nicht nachhaltig.
Was macht eine nachhaltige Verpackung eigentlich aus?
Peter Désilets: Das ist ein sehr komplexes Feld, nicht umsonst widmen wir diesem Thema seit vielen Jahren schon Vorträge, Beiträge, Newsletter, Posts und betreiben unseren Blog. Ein paar Basics sind aber: a) die 100 % Lösung gibt es nicht, b) eine nachhaltige Verpackung ist immer Ergebnis einer individuellen Betrachtung des Unternehmens mit seinen eigenen Bedingungen, c) die Lösung sollte ganzheitlich entwickelt werden, nicht nur hinsichtlich Ressource oder Recycling im Ursprungsland, d) gemäß den neuen Regularien sollte die Brand bestrebt sein, einen Impact zu erzeugen, also eine deutliche Verbesserung zum Status Quo herbeizuführen – das ermöglicht auch die begleitende Kommunikation – und e) die Lösung sollte möglichst den zukünftigen Trends Rechnung tragen oder adaptierbar sein.
Fast 70 Prozent der Verbraucher:innen haben einer Umfrage des Deutschen Verpackungsinstitutes zufolge schon einmal auf ein Produkt verzichtet, weil es nicht nachhaltig verpackt war. Werden Lebensmittel in herkömmlichem Plastik bald zum Ladenhüter?
Peter Désilets: So weit würde ich nicht gehen, es gibt durchaus noch Ansätze, wo Kunststoff momentan schwer wegzudenken ist. Ich würde auch unterscheiden zwischen Kunststoff als Mehrwegverpackung, gewissen festen Kunststoff-Verpackungen als stofflich sehr gut recycelbare Behälter und Folien, die es aus unserer Sicht in Zukunft deutlich schwerer haben werden. Auf jeden Fall werden Kunststoffverpackungen heute schon deutlich kritischer von den Konsument:innen betrachtet. Aber auch nicht alle Verbraucher:innen sind so umweltbewusst, sondern kaufen einfach nach Preis. Die Zunahme von nachhaltigeren Verpackungsalternativen einerseits und die steigenden Entsorgungs- und Folgekosten für weniger nachhaltige Lösungen andererseits erhöhen aber den Druck deutlich auf die gängigen Verpackungen.
Welche negativen Auswirkungen hat der Verzicht auf nachhaltige Verpackungen in Hinblick auf die Wahrnehmung der Kund:innen und letztlich Markenwert einer Brand?
Peter Désilets: Es ist eine Wette auf die Zukunft, ob die Kund:innen die Marke passiv - durch Kaufenthaltung - oder gar aktiv durch Social Media Blaming abstrafen. Die Verpackung macht ja bekanntlich nur wenige Prozent des gesamten Produktfußabdrucks aus. Aber die Kontakte mit der Verpackung (die Touch Points) im Lebenszyklus des Produktes sind sehr relevant. Jeder Brand Owner weiß, dass die Werbung die Aufmerksamkeit für ein Produkt generieren kann, aber die Kaufentscheidung und das Brand Image werden am POS – bzw. zuhause beim Onlinekauf – entschieden.
Niemand möchte sich dem Vorwurf des Greenwashing ausgesetzt sehen. Dennoch passiert es selbst bekannten Marken immer wieder. Wie gelingt es einem Unternehmen, sich glaubwürdig nachhaltig zu positionieren? Und wie oft hat die Verpackung nun schuld am Greenwashing-Vorwurf?
Peter Désilets: Die Verpackung trägt dann Mitschuld, wenn die Greenwashing-Kommunikation auf dieser stattfindet oder die Verpackung ein Hauptaugenmerk der Kommunikation darstellt. Natürlich sind die Marken bestrebt, auch die positiven Aspekte der Packung auszuloben. Unsere Studien zeigen, dass die Verbraucher immer mehr auch konkrete Details wissen wollen, wie viel Rezyklatanteil, wie viel CO2-Einsparung etc. statt nur pauschalen Aussagen. Hier sollte jede Brand bestrebt sein, bei der Wahrheit zu bleiben und nachvollziehbare Fakten zu kommunizieren.
Was gilt es bei der Kommunikation der eigenen Nachhaltigkeitsstrategie zu beachten?
Peter Désilets: Da gilt dasselbe wie bei Verpackungen, eine offene und ehrliche Kommunikation kommt bei den Verbraucher:innen besser an als pauschale Aussagen. Und die ausgelobten Ziele werden a) immer nachvollziehbarer und transparenter und b) werden auch kontrolliert von NGOs oder Verbraucher:innen, Blogger:innen etc. Die Skepsis ist groß, ob die Brands es ernst meinen, daher wird auch genauer hingeschaut. Content Marketing kann da übrigens hervorragende Dienste leisten.
Ebenfalls 70 Prozent der Verbraucher:innen bezeichnen sich Studien zufolge als umweltbewusst. Tendenz steigend. Wie wird sich dieser Trend in den kommenden Jahren auf die Lebensmittel – und Verpackungsindustrie auswirken? Und heißt höheres Umweltbewusstsein weniger Kostenbewusstsein bei den Verbraucher:innen?
Peter Désilets: Es gibt sicherlich unterschiedliche Niveaus von Umweltbewusstsein bei den Konsument:innen, nicht alle wenden die gleichen Kaufkriterien an. Und es gibt ja auch Studien, die eine Korrelation von Verständnis von Nachhaltigkeits-Kritierien bei Verpackungen und der Kaufrelevanz herstellen. Nicht jedes verständliche Kriterium ist auch kaufrelevant, weniger verständliche Kriterien sind es aber sicherlich nicht. Daher ist es wichtig für Brand Owner zu verstehen, welche Aspekte eher zum Kauf führen - und andersrum, welche Konzepte erfolgversprechend sprich absatzförderlich sind. Wer es also schafft, den Nachhaltigkeitswert seiner Marke zu steigern, schafft es auch eher, einen höheren Preis zu erzielen und seine Marge zu erhöhen oder stabil zu halten. Ein hoher Markenwert ist also gleichbedeutend mit Margenwert.
Vielen Dank für das Gespräch!